abstracts
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Kathrin Peters
Consumers, Communities
Dem fotografischen Bild haftete immer schon ein gewisser Konsumismus an, denn aller Kreativitätsbehauptungen zum Trotz nutzt es sich schnell ab. Das gilt besonders für die Privatfotografie. Hier lässt sich die schiere Quantität von Fotografien ähnlicher oder identischer Motive durch ästhetische Qualitätskriterien nur unzureichend organisieren, zumal diese den persönlichen Erinnerungswert des Abgebildeten gar nicht zu fassen bekommen. "One of the reasons people love photos so much is because they are an archive of shared memories", titelt daher flickr.com und liegt damit vielleicht schon falsch. Denn ausgehend von dieser 3,5 Millionen Privatfotografien umfassenden photosharing website möchte ich fragen, ob sich für die fotografische Aktivität unter elektronischen Bedingungen nicht einige Verschiebungen ergeben: Greift die Vorstellung vom fotografischen Bild als Erinnerungsspeicher noch oder wird es nicht eher zum Agenten permanenter Gegenwartsbezogenheit? Richtet sich die Aufmerksamkeit noch länger auf das Gelungensein einzelner Bilder oder nicht vielmehr auf die Möglichkeiten des sharing und sampling? Werden innerhalb der online-communities Ästhetisierungsbestrebungen vom Bild auf eine spielerische Selbststilisierung verlagert, auf die Produktion und den Konsum von life-styles?
Fr. 20.05.| 10.30
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Sabine Hark
"Professionell mit Profil"?
Selbstoptimierungstechnologien Gouvernementalität
Geschlecht
Profil ist in! Das "Secretary Management Institute"
umwirbt Sekretärinnen und Assistentinnen mit dem
Slogan "Professionelle Assistenz mit Profil"
und verspricht mit dem "Denkstil-Tool" "Hermann-Dominanz-Instrument"
(H.D.I.) den Weg zum Erfolg! Dieses verhelfe dazu "ungenutze
Potenziale und heimliche Stärken" zu entdecken,
damit professionelle Assistentinnen "ihren Vorgesetzten
noch effektiver entlasten". Das Programm der Berliner
Hochschulen "ProFil. Professionalisierung für
Frauen in Forschung & Lehre: Mentoring - Training
- Netzworking" verheißt, dass die
Schärfung des eigenen Profils und die "Entwicklung
der strategischen Kompetenzen und besseres &Mac226;Self-Marketing'"
den Weg zur Professur ebnet.
Was beide Programme hier anbieten, ist nicht wenig: Gleich
ob Professorin oder Assistentin, Selbstoptimierung ist
der Schlüssel zum Erfolg und ohne Berater, neudeutsch:
spin doctors geht heute gar nichts mehr.
In meinem Beitrag wird es darum gehen, diese Selbstoptimierungstechniken
als Bausteine gouvernementaler Regierungstechnologie zu
untersuchen und nach deren ex- und impliziter Geschlechterpolitik
zu fragen.
Um optimalen Erfolg zu garantieren, wird das "Hermann-Dominanz-Instrument"
zum Einsatz kommen.
Fr. 20.05 | 11.15
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Beatrice
von Bismarck
Strategische Reklamationen
der Kunst
Ausgangspunkt des Beitrags sollen die aktuellen Überschneidungsflächen
zwischen den Bereichen des Ökonomischen und des Künstlerischen
sein. Sie ergeben sich aus dem auf unterschiedlichen Ebenen
und mit unterschiedlichen Interessen formulierten Vorbildcharakter,
der Künstler/innen innerhalb wirtschaftlicher Arbeitszusammenhänge
derzeit zugesprochen wird. Die Berührungspunkte ermöglicht
dabei ganz maßgeblich das postfordistische Modell
immaterieller Arbeit. Drei Fragestellungen sollen mit
diesen Prämissen leitend sein: Zum einen diejenige
nach den Verfahren, mit denen sich seitens der Kunst Freiräume
zurückerobern lassen, die im Rahmen ökonomischer
Aneignungen und postindustrieller Selbstausbeutung verloren
gegangen zu sein scheinen. In dem Zusammenhang geht es
zum zweiten darum, das Überleben der Figur des einzelnen
"Autors" und dessen Bedeutung für diejenigen
Arbeitszusammenhänge, die sich über immaterielle
Arbeit sowohl im künstlerischen als auch im wirtschaftlichen
Feld ergeben, nachzugehen. Zum dritten schließlich
zielt der Beitrag darauf, ein Paradox nutzbar zu machen,
das sich in der für ökonomische Arbeitsbedingungen
bestehenden Attraktivität gerade solcher künstlerischer
Haltungen um 1970 besteht, die sich nachdrücklich
der Kommerzialisierung der Kunst zu verweigern suchten.
Fr. 20.05. | 13.00
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Andrea Sick
EventKultur. Techniken einer
erlebnissteigernden Ereignismaschine
Das PR-Modewort seit den 90er Jahren heißt Event.
Der Event promotet, wirbt und pflegt Images. Vernissagen,
Premieren, Mitarbeiter- und Kundentreffen, Festivals,
Multimediainszenierungen aber auch traditionsreiche Feste
wie Weihnachten und Silvester werden zu interaktiven Ereignissen
mit außergewöhnlichem Erlebnischarakter.
Die EventKultur entwirft Identitätsmaßnahmen,
indem sie auf ein Wir-Gefühl setzt, erzeugt durch
fokussierte Interaktionen. Volksfeste und Fußballereignisse
werden zum Gesamtkunstwerke. Die Wechselwirkung zwischen
Erlebnis und Marke bestimmt das Skript.
Auch die Festivalisierung der Stadtentwicklungen durch
die Nominierung von europäischen Kulturhauptstädten,
gefördert durch Kampagnen wie "Pro. Kultur",
entwirft Kultur als Marke. Standardisierte Bausteine werden
zusammengesetzt. Nachhaltiges Erleben versprochen. Kollektive
Selbstvergewisserung will hier nicht ein gemeinsames Erlebnis
von Deutungsmustern produzieren. In der EventKultur arbeitet
eine Ereignismaschine an der Schnittstelle von Industrie,
Politik, Medien und Kunst, die nur ein Ziel kennt: außergewöhnliche
Erlebnisse.
In der EventKultur wird das Erleben selbst ökonomisiert.
Ökonomische Strukturen drehen in die Innenwelten,
machen das Selbst im Kollektiv zum Selbstesten einer Marke
"Kultur".
Fr. 20.05. | 13.45
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Ilka Becker
"We've come a long long
way together ..." Mobtaktiken und die Tücken
der Selbstreferenzialität
Ausgehend vom Video "Koagulum"der Künstlergruppe
Inventory werden unterschiedliche Strategien der Zusammenrottung,
der Meutebildung ausdifferenziert und ihre im Sinne von
spinning und Störeffekten interventionistischen Potentiale
ins Auge gefasst. Diese Praktiken werden zunächst
in ihren spezifischen Kontexten verortet, um im kritischen
Rückblick auf &Mac226;historische' Positionen von
Fluxus bis zur situationistischen Internationale vor allem
die Frage der medialen Sichtbarmachung und den damit verbundenen
Öffentlichkeits-Begriff in den Mittelpunkt zu stellen.
Aktuelle Mobtaktiken, die unter den Begriffen Flashmobs
oder adhocracy diskutiert werden, als politische Guerillataktiken
zum Einsatz kommen, aber auch Teil ästhetischer Strategien
von Performance bis hin zu Musicvideoclips zu sein scheinen,
werden nicht erst durch neue Kommunikationsmedien wie
Internet und SMS-texting ermöglicht. Vielmehr ist
die mediale Sichtbarmachung Voraussetzung für ihre
jeweiligen Authentifikations- und Lokalisierungseffekte,
die häufig auf der Bühne sog. transitorischer
"Nicht-Orte" (Marc Augé) erzielt werden.
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Julia Figdor
"und mit der Einsicht,
dass mein Alltag theoriefreundlich ist."
"Was für Auswirkungen haben die gegenwärtigen
gesellschaftlichen Umwälzungen auf die Alltagspraxis
der Kollektive und SUBJEKTE?" (aus: Stadt als Beute)
Diese Frage könnte als Programm für die Theaterarbeit
von Rene Pollesch verstanden werden. Indem Pollesch theoretische
Texte auf seine Figuren überträgt, entsteht
eine Beziehung zwischen Theorie und Alltag. Koordinaten
und Orte, die ehemals dazu dienten das Leben zu organisieren,
werden durchlässig. So werden Themen, wie z.B. Stadtentwicklung,
Ökonomie, Liebe, Arbeit und Sex in den Stücken
Polleschs nicht isoliert voneinander bearbeitet.
Was für Auswirkungen haben die gegenwärtigen
gesellschaftlichen Umwälzungen auf das Theater? Der
Inhalt bestimmt die Form. Ist ein Repräsentationstheater
heute noch möglich, das auf einen homogenen Ort verweist,
in dem Konflikte eindeutig dargestellt und gelöst
werden können?
Fr. 20.05. | 15.45
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Ines Kappert
Die Entwirklichung der Gegensätze
und die Absage an ein Denken der Vielheiten
Im Diskurs des politischen Mainstream ist derzeit eine
immer lauter werdende Absage an Pluralität und Streitkultur
zu beobachten, womit letztlich ein demokratisches Selbstverständnis
gesellschaftlich verabschiedet wird. Entsprechend gilt
im Bereich der Regierungspolitik parteiinterne Uneinigkeit
als unprofessionell und Kritik wird als Effekt von Führungsschwäche
gewertet. Aber auch im universitären Rahmen bleibt
eine seit Jahrzehnten formulierte Kritik am pluralistischen
Denken zunehmend unwidersprochen. Und zwar auch von linker
Seite. Slavoj Zizek etwa verwies im Rahmen des Kommmunismus-Kongresses
in Frankfurt/M. 2003 darauf, dass die Dringlichkeit, neoliberalistischen
Tendenzen entgegen zu wirken, das Arbeiten mit poststrukturalistischen
Theorieansätzen, und hier allem voran des Kritikansatzes
von Judith Butler, nicht mehr erlaube. Die Zeiten seien
für Differenzspiele ohne fundierten Begriff einer
gesellschaftlichen Systemanalyse zu düster geworden.
Feministischer Theoriebildung wurde kurzerhand ein Platzverweis
erteilt, mit der sattsam bekannten Begründung, die
Geschlechterdiskriminierung sei eben nur ein Nebenwiderspruch.
Grundsätzlich gesprochen, wird im Zuge dieses Poststrukturalismus-Bashings
das Denken von Nicht-Identität bzw. der Pluralisierung
von (Geschlechter)Identitäten als "überdreht"
bzw. dekadent abgewertet. Dies führt nicht zuletzt
zur Restauration eines autoritären Denkens in binären
Gegensätzen. Dabei aber enthält diese im Effekt
restaurative Kritik einen auch von linker Seite ernst
zunehmenden Ansatz: Sie verweist auf die Vernachlässigung
der Ökonomie- und Klassen-Fragen im Rahmen eines
poststrukturalistischen (feministischen) Denkansatzes.
Und sie verweist implizit auch auf den Zusammenhang zwischen
der Re-Etablierung einer Ideologie der Führung und
dem Verschwinden der Analysekategorien von Klasse, Macht
und Ökonomie, letztlich dem Verschwinden einer aktualisierten
Kapitalismuskritik.
Ich möchte in meinem Vortrag diese Kritik herausarbeiten
und in Referenz auf Chantal Mouffe für ein Umdenken
im Sinne ihres Denkens der "radikalen Demokratie"
unter Bezug eines Politikverständnisses plädieren,
dass Grenzen, Fronten und Klassen-Gegensätze nicht
ignoriert, sie nicht entwirklicht durch Ausweichen und
Übertragen in anthropologische Konstanten (wie Ethnie,
Mentalität oder Identität), sondern als Effekte
von Aushandlungs- und Verhandlungsprozessen versteht.
Anders formuliert: plädiere ich gegen eine Rhetorik
oder auch ein Denken des Überdrehens und der Übersteigerung,
und schlage stattdessen eine nüchterne Verbindung
von Diskursanalyse, Verteidigung der Multitude und Kapitalismuskritik
vor.
Fr. 20.05.| 17.30
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Filmpanel:Überdreht im Kino
mit Sabine Nessel, Claudia Reiche, Christine Rüffert,
Moderation: Christine Hanke
Ein Film wird buchstäblich gedreht: Die Filmspule dreht sich bei der Aufnahme und muss sich beim Abspielen im Projektor wieder drehen. In technischer Hinsicht ist das Kino also von Anfang an mit dem Drehen verbunden und bietet sich als Gegenstand und thematisches Feld geradezu an, nach dem Überdrehen zu fragen. Der Filmworkshop »Überdreht im Kino« eröffnet(e) vor diesem Hintergrund im Dezember 2004 das thealit-Laboratorium »Überdreht. Spin Doctoring, Politik, Medien« (siehe separater Flyer), eine Filmreihe schließt sich an (siehe Programm der Filmreihe). Ganz verschiedene Facetten des »Überdrehten« in Film und Fernsehen werden in den Blick geraten sein: Kameradrehungen um verschiedene Achsen eröffnen Dreh-Erfahrungen von Raum und Zeit (Filmprogramm Überdrehte Kamera). In Filmen wie »Opening Night« von John Cassavetes, der grundsätzlich nach der gedrehten Szene die Kamera weiterlaufen ließ also überdrehte verwirren sich Ebenen von Film und Realität, von Figur, Schauspielerin und Alter Ego (Anja Streiter). In theoretischer Hinsicht ergeben sich neue Perspektiven für die feministische Filmwissenschaft, so zum Beispiel in Begegnungen feministischer Filmtheorie der 1970/80er Jahre mit Filmstandbild und Katastrophenfilm (Sabine Nessel, Andrea Braidt, Winfried Pauleit). Die Medialität von Film gerät anhand verschiedener Materialien in den Blick: Blut im Splatterfilm, Licht und Schatten in Filmen tanzender Körper, Videokorn im als »queer« titulierten experimentellem Film »Dandy Dust« eröffnen überdrehte Perspektiven auf die filmische Materialität (Petra Lange-Berndt, Ute Holl, Claudia Reiche). Überdrehte Fernseh-Shows und -Serien erweisen sich als Folien flexibler Selbstregulierung (Judith Keilbach, Mira Fliescher). Die Beiträge des Workshops werden online bei www.nachdemfilm.de zur Weiterdiskussion bereitgestellt. Auf dem Panel »Überdreht im Kino« wird der Faden von Workshop, Filmreihe und Online-Diskussion wieder aufgenommen: Im Gespräch einiger Workshop-Teilnehmerinnen stellen wir die Facetten überdrehten Nachdenkens über und mit Film, Kino und Fernsehen resumierend vor, wollen sie noch einmal reflektieren und weiter diskutieren.
Fr. 20.05.| 17.30
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Ulrike Vedder
Spekulieren und Ruinieren:
Am Siedepunkt von Geld und Literatur.
So wie Historiker schon den Beginn des kapitalistischen
Wirtschaftens in
der frühen Neuzeit als "Hochspannung" (Braudel)
diagnostizieren, kann
zum Ende des 19. Jahrhunderts von einem Heißlaufen
des Kapitalismus
gesprochen werden, das sich bis in die Literatur niedergeschlagen
hat.
Eine ebenso pointierte wie unterhaltsame Darstellung der
entfesselten
ökonomischen Spekulation bildet der Roman "Das
Geld" von Emile Zola, der
den Einsatz und die Überreizung finanzieller Mittel
rund um die
Eroberung der Ressourcen des Orients - mit Hilfe des Börsengangs
der
Transportmedien Schiffahrt und Eisenbahn - immer wieder
verknüpft mit
korrupten Kommunikationsmedien, mit haltlosem Sex, mit
Antijudaismus,
mit körperlichem Verfall usw. Die diversen Idiosynkrasien
und
Machenschaften rund um die Pariser Börse werden in
dem Roman ökonomisch
und psychologisch auf scharfsinnige Weise gezeigt und
- ganz zeittypisch
mit Degenerationstheorien verbunden.
Sa. 21.05. | 9.30
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Sibylle Peters
Spin-Doctors/Vortragsperformances:
Überlagerungen der Rede zwischen Kunst, Wissenschaft
und Politik
Die 'Lecture-Performance' ist ein Format, das zwischen
wissenschaftlicher und politischer Rede, szientifischer
Demonstration und künstlerischer Präsentation
changiert. Der oder die Vortragende agiert dabei in mehrfacher
Hinsicht als 'Spin Doctor': Oft ist das Rednerpult zugleich
DJ- und VJ-Pult, also eine Schaltzentrale, von der aus
Einspielungen unterschiedlichster Genres und kontingenter
Herkunft gesteuert werden; die Argumentation bzw. Moderation
wird durch szenische Elemente, Live-Acts, Interaktionen
mit dem Publikum ergänzt. Aus dieser Mixtur entsteht
Pop-Agitprop - ein Geschehen, das zuweilen virtuos von
einer diskursiven Schnittstelle zur nächsten springt,
zuweilen aber auch zwischen allen Stühlen landet.
Was geschieht, wenn so unterschiedliche Szenarien der
Rede übereingeblendet werden? Wie macht sich die
Geschichte ihrer diskursiven Differenzierung dabei bemerkbar?
Wie ändert sich der Status der Einspielungen je nach
aktuellem Rede-Szenario? Bedeutet 'Liveness' in den verschiedenen
Szenarien eigentlich das gleiche? Und hätte, wenn
die/der Vortragende die Register wechselt, nicht auch
das Publikum sich jeweils in ein anderes zu verwandeln?
Sa. 21.05. | 10.30
>> zurück ____________________________________________________________________________________
Susanne Bauer
Wissensproduktion als Panoptikon,
Überdrehung oder Paralleluniversum?
An der Schnittstelle zwischen molekularbiologischer Forschung,
Biostatistik und medizinischer Anwendung verspricht die
Epidemiologie, Überblick zu schaffen über unstete
'Populationen' und deren Gesundheit und Krankheit. Mithilfe
flexibler Forschungsdesigns werden ätiologische Hypothesen
getestet, Verursachungsmechanismen modelliert oder die
Effizienz von Interventionen evaluiert. In einer epistemischen
Camouflage experimenteller Praxis werden durch trickreiche
Studiendesigns 'Quasi-Experimente' durchgeführt.
Um die Vielzahl epidemiologischer Einzelstudien, die wiederum
die Fachzeitschriften 'bevölkern', zu überblicken,
werden Metaanalysen durchgeführt: aus panoptischer
Perspektive wird der 'body of evidence' analog zum Bevölkerungskörper
abgebildet. Auch die Wissenschaftsforschung nimmt die
Wissensproduktion von einem vermeintlichen 'Außen'
in den Blick und beschreibt die Evidenzen als sozial,
historisch und medial kontingent. Der Vortrag geht den
Spinnings überdrehender Wissenschaften sowie ihren
formalen Verfahren und Visualisierungen nach. Inwieweit
kann der Einsatz der Figur der Überdrehung durch
eigene Effekte überraschen wie viele Paralleluniversen
sollen es sein?
Sa. 21.05. | 11.15
>> zurück ____________________________________________________________________________________
Julika Funk
Fetisch: Fetisch des Fetisch
Kaum ein Text zum Fetischismus lässt sich das Bonmot
entgehen, die Kulturwissenschaften hätten ein fetischistisches
Verhältnis zum Thema Fetisch entwickelt. Diese Formulierung
ließe sich unendlich weiterdrehen. Fetisch: Fetisch
des Fetisch. Usw. Die Theorie wird dabei immer wieder
mit der Anforderung der Konkretion im Konzept des Fetisch
konfrontiert. Der Begriff verdinglicht sich, der Fetisch
kreist um sich selbst. Der Fetischismus des Fremden und
Primitiven ist der eigene. Die Tendenz zur Abstraktion
und Metatheorie seit Freud löst die Spannung nicht.
Sie vernachlässigt vielmehr die Herkunft des Konzepts
aus einer ambivalenten anthropologischen Strategie von
Einschluss und Ausgrenzung, die auf der Ebene der Theorie
nichts als eine strukturelle Wiederholung erfährt.
Dabei gilt es zu entdecken, dass von Anfang an der Fetisch
als belangloser und doch bedeutender Gegenstand, als Zeichen,
dessen Zeichencharakter in Frage steht, irritiert.
Sa. 21.05. | 12.00
>> zurück ____________________________________________________________________________________
Christine
Hanke
Flug und Bild unter Kontrolle?
Testpiloten, auch Spin Doctors genannt, reizen die
Grenzen von Kampfjets aus: Im Trudeltest wird die Maschine
absichtlich überzogen, um zu testen, wie den Gefahren
des Trudelns entgegnet werden kann. Überdrehung und
Ausbalancieren gehören hier zum Übungsprogramm,
wobei neue Flugkontrollsysteme dem Piloten mit Pfeilanzeigen
die rettenden Lenkmanöver vorgeben. Bessere oder
richtigere Visualisierungen statistischer Gefahrenauswertungen
hätten aus statistisch-affirmativer Perspektive auch
die Explosion der Raumfähre Columbia verhindern können
der »endemische Gebrauch« von PowerPoint
bei der NASA wird hierbei kritisiert.
Entlang von Raumfahrt- und Flug-Motiven frage ich nach
Formen des visualisierenden Spin Doctoring. Wie werden
Daten visualisiert und welche Effekte entstehen dabei?
Gibt es bessere und schlechtere Bilder? Wie verhält
sich die Arbitrarität von Datenvisualisierungen zur
Relevanz handlungsanleitender Evidenzproduktion? In den
Blick geraten visuelle Spin Doctorings, Overspins und
Spin Offs.
Sa. 21.05. | 14.00
>> zurück ____________________________________________________________________________________
Helene von Oldenburg
Entanglement Spooky
Action at a Distance
Teleportation im submikroskopischen quantenphysikalischen
Bereich funktioniert mittels Entanglement. Das Phänomen
Entanglement beschreibt die Beziehung zwischen zwei Teilchen,
die durch einen gemeinsamen Prozess so miteinander verknüpft
sind, dass das was dem einen Teilchen passiert, immer
auch dem zweiten passiert egal wie weit entfernt
es ist.
Ein Versuchsaufbau zum quantenphysikalischen Nachweis
von Entanglement und des dort stattfindenden Prozesses
der Teleportation haben strukturelle Parallelen mit dem
Setting, mit dem Psychologen das Vorhandensein von Telepathie
nachweisen wollen, sowie der Beschreibung des dabei ablaufenden
Prozesses.
Nachgewiesen ist das Phänomen Entanglement bisher
nur für die quantenphysikalische Welt. Die interessante
Frage ist die der Grenze zwischen quantenphysikalischer
Welt und der Welt, die wir mit unseren Sinnen erfassen
können. Bereiche, in denen völlig verschiedene
physikalische Gesetze gelten.
Bisher fehlt die theoretische Kooperation zwischen quantenphysikalischen
und telepathischen Versuchssettings.
Sa. 21.05. | 14.45
>> Ausstellung || 5.2.-20.2.2005 || Eröffnung: Fr. 4.2.2005, 20.00
Helene von
Oldenburg Entangelment - Spooky
Action at a Distance
>> zurück ____________________________________________________________________________________
Kunstpanel: Zur Ausstellung "Überdreht" mit Künstlerinnen und Kuratorinnen der Ausstellung Videodokumentation von Lola Castro Ruiz; Moderation: Claudia Reiche
der Ausstellungsraum: Vor dem Steintor 174,Bremen
Foto: Gesa Mietzner
Grundriss: Hendrik Weiner
Sa. 21.05. | 16.00
>> zurück ____________________________________________________________________________________
Gabriele
Werner
Du sollst nicht töten.
US -amerikanischer religiöser Fanatismus, Folter
und der weibliche Soldat
Ausgehend von
einem Beitrag in der Sendung "Kulturzeit" über
die
Missionierungstaten amerikanischer religiöser Fanatiker
im Irak und der
Ausstellung in Dresden "Die zehn Gebote" soll
der Frage nachgegangen werden,
welche hilfslosen Unternehmungen zu beobachten sind, um
Wertegemeinschaften auf der Grundlage von alten Bildern
wieder neu herzustellen. Stören Folterfotos und weibliche
Soldaten die Reformulierung tradierter Werte? Oder sind
sie nicht vielmehr dafür notwendig?
So. 22.05. | 10.30
>> zurück
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Sigrid Adorf
1963: Der kluge Mann baut
tief, eine Frau fliegt ins All und ein kleines Mädchen
lupft eine Fahne .
In dem Jahr, in dem eine Kugel den Hinterkopf des amerikanischen
Präsidenten durchschlägt und eine russische,
kugelförmige Raumkapsel erstmalig von einer Frau
besetzt in 70 Stunden die Welt umfliegt, kniet Caroline
Kennedy neben ihrer Mutter vor einer geschlossenen Kiste,
deren Inneres ihr verborgen bleibt. Was das Mädchen,
das die Flagge offenbar anhebt, um drunter zu schauen,
dort wirklich suchte, bleibt dagegen den Zuschauenden
verborgen. Jahre später wird die rechtsausgebildete
Linkshänderin in ihren Büchern zum Recht auf
Privatheit, Zu unserem Schutz und ihrem Handbuch einer
Patriotin als Antwort auf den September 2001 den fehlenden
Blick unter das Banner durch Images einer amerikanischen
Vision ersetzen. Einer Vision, die häufiger schon
zu Grabe getragen wurde und doch hartnäckige Überlebenschancen
zeigt. Mann baute tief im privaten Bunkerbau und hoch
in den Himmel hinein, der zum Umraum mobiler Wohneinheiten,
wie dem Raumschiff Erde, erkärt wurde. Was aber indizierte
die zumeist kugelförmige Gestalt der Sorge um sich?
Sa. 21.05. | 17.45
>> zurück
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Gerburg Treusch-Dieter
NV-Solo oder der Hase kam
nie an. Bewegungsaspekte einer Erwirtschaftungskultur
Wenn etwas durchdreht, läuft es leer, entweder es
wird heiss und verschmort, oder es leiert aus und steht
still. Beide Bewegungen zusammen ergeben die des Hasen,
der zwischen Igel und Igel spurtet, indem er sich zunehmend
um sich selber dreht, denn die Igel rühren sich nicht.
Sie sind Struktur, die innerhalb der irreversiblen Arbeitslosigkeit
heute, wie die Igel im Märchen, zum Sieg entschlossen
ist. Der Hase wird zur Strecke gebracht. Dabei war gerade
er derjenige, der vom arbeitslosen Käufer von Arbeit
zu seinem eigenen Arbeitgeber mutierte, gerade er schuftete
als Unternehmer seiner selbst, der sein eigener Leiharbeiter
war, gerade er war als Prototyp einer Ich-AG, die nach
dem Modell von NV-Solo (Normalvertrag für Schauspieler)
funktionierte, entrepreneurial und kreatural. In memoriam
des Schicksals des Hasen untersucht der Vortrag den neuen
Stellenwert von Kreativität, die heute den Rohstoff
Arbeitskraft zu ersetzen und dabei ihre Geschichte der
Marginalisierung innerhalb einer Erwirtschaftungskultur
zu übertrumpfen hat, in der Innovation von Inflation
nicht zu unterscheiden ist. Auch der Hase wurde, zwischen
den Igeln verendend, gefilmt, womit er immerhin im Tod
noch einen Billigjob kreierte.
Sa. 21.05. | 18.45
>> Ausstellung || 10.5.2005, 20.00
Elke Heitmueller,
Nan Mellinger, Gerburg Treusch-Dieter
MOIRA 2005 Warteschleifen und Übersprungshandlungen
>> zurück
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Pink Punk
FAIR DEAL
Performance
(Foyer)
Two young female artists PINK PUNK (Kristin Kalamees and
Sandra Jõgeva) stand, holding signs that say "Give
us money, we are pretty" and bags for money. They
wear tacky ballerina gowns, a lot of make up and big hairdos,
giving the impression of oversized Barbie-dolls or transvestite-like
caricatures of women. They have made an effort to really
look pretty.
Fair Deal deals with the tragicomedy of an incomplete
consumption-society. The countries of Eastern Europe belong
mentally to the West, having generated the same material
exigencies in its habitants. But the economic situation
is different. Fair Deal also raises the problems connected
with the artist's social role, deals with unemployment
as a painful social phenomenon, overproduction of artists
and an extremely competitive job market caused by that.
It keeps alive the eternal discussion about woman as an
object of art. Woman as a sexual object is still one of
the leading themes in contemporary art. With their tacky
appearance the girls lay stress upon what society acquires
from a woman, they amplify the fact that women should
look pretty. They take advantage of that fact. This is
girlpower.
Sa. 21.05.
>> zurück
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Ulrike Bergermann
Castingshows, Selbstdrehtechnologien,
falsche Flaschen. Zur Sichtbarkeit von Drehmodellen
Ich will nur singen und tanzen. Das ist mein Leben. Nicht
mehr nur Verinnerlichung eines äußeren Zwangs,
ist hier der 'innere Drang' zum Modell einer Ökonomie
geworden, die in Reality-TV-Formaten und Casting-Dokus
stattfindet. Freiwilligkeit und Regeln spielen sich nicht
mehr nur zwischen Gecasteten und Sendern/Produzenten ab,
das 'votende' Publikum ist konstitutiv hineingedreht:
ich sage vor der Kamera, dass diese Tätigkeit mein
Leben ist, denn das wollen die hören, aber ich meine
es ja wirklich, stelle nicht nur dar, sondern bin, was
in jedem von alleine tätig wird, die Nachfrage ist
die Vorschrift, und die Lust besteht in ihrer Verschachtelung.
Drehmodelle haben in diesen Medienformaten ihr Display
gefunden, Displays schrauben die Modelle weiter. Das Erlebnis/Format
hat in seinen Selbst/Regeln keinen Anfang und kein Ende,
Innen und Außen (wie ein Möbiusband), es lässt
sich nicht mehr auf zwei Bandseiten beziehen (was Ausgangspunkt
für das gouvernementale Verhältnis von Individuum
und Staat war). Die Selbsts, verteilt auf weitere Instanzen
und Technologien, sind so schwer begrifflich einzuholen
wie den Visualisierungen mehrdimensionaler Umstülpungen
stets hinterher etwa einer 'Möbiusröhre',
der Kleinschen Flasche.
So. 22.05. | 12.30
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Daniela Dröscher
"Wer sich dreht, fällt
nicht um". Übertreibungen des Nullpunkts bei
Yoko Tawada
Wem bei Tawadas Schreiben nicht schwindelig wird, der
übertreibt wohl maßlos mit seiner Zentrierung.
Mit jeder Trope, jedem Zeichen, gehen die Sinne über,
steigern sich unablässig die Bezüge. Als Allegorie
einer performativen Textpraxis ver-rückt etwa die
Versetzung Ledas in Opium für Ovid auf eine leiernde,
um sich selbst kreisende Schallplatte an einen Nullpunkt
von Theorie und Lesepraxis. An ihm drohen Identitäts-Bildungen
wie 'Frau' und 'Fremde' zu ermüden. Denn Ledas Medium
zwingt zur Beschleunigung, schleudert Begriffe von sich,
will Stimme, Tanz, Ereignis sein. Wie diesem Text begegnen,
der sich in seinem Tropen-Fieber zugleich zu versiegeln
scheint? Den Stecker ziehen? Ins Loch der Platte fallen?
Oder vielleicht: Sich mitdrehen, zeigen, wie ich die Überdrehungen
des Textes unterbreche, und er mein Begehren unterbricht?
Fragen: Ist dieses Begehren ethisch? Denn Leda ist Single
und d.h. singulär. Dreht man sich in sich selbst
und im Text, rührt man an eine Singularität,
welche die Spur eines Anderen trägt und mich um Antwort
anruft.
So. 22.05. | 13.15
>> zurück
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Doro Wiese
Pessimismus organisieren!
In seinem Aufsatz Der Sürrealismus (1929) gibt Walter
Benjamin der Kritik an bestehenden gesellschaftlichen
Verhältnissen eine neue, radikale Stoßrichtung.
Gegen die realitätsferne Bilderflut der bürgerlichen
Linken, die in größtem Optimismus "Engel,
Reichtum, Freiheit" beschwören, setzt er die
Forderung Nevilles, den Pessimismus zu organisieren. Nur
so komme man der Frage nahe, ob die Voraussetzungen der
Revolution in der Änderung der Gesinnung oder der
äußeren Verhältnisse liegen. Zudem befördere
man die moralische Metapher aus der Politik heraus und
entdecke "im Raum des politischen Handelns den hundertprozentigen
Bildraum". Gibt es zeitgenössische Verfahren,
die den Forderungen von Benjamin nachkommen? Unter diesem
Gesichtspunkt wird Sibylle Bergs Roman Ende gut befragt
werden. Bei Berg sieht die Welt ohne moralische Rückendeckung
ungewohnt aus: "Elend für alle." Die Vortragende
wird verdeutlichen, warum die Organisierung des Pessimismus
die Losung der Stunde sein kann.
So. 22.05. | 10.30
>> zurück
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Christine
Karallus
Ästhetische Ermittlungsarbeit
Im April 1916 wird eine Frauenleiche in Stettin in einem
Reisekorb entdeckt.
Im Laufe der Ermittlungen geraten zwei eng mit der Toten
befreundete Frauen
in Tatverdacht und gestehen, die Tote, zum Kaffee in ihre
Friseurwohnung
eingeladen und ihr dort durch mehrere kräftige Schnitte
mit einem
Rasiermesser die Halsschlagader durchschnitten zu haben.
Erstmalig wird diesem, das, dem Realen "ver/ent-rückte"
Ereignis, dem, was
auf eine Art vollkommen "überdreht" erscheint,
um 1900 eine mediale
Visualität verliehen. Die Fotografie findet Eingang
in die Prozeduren der
Tatortsicherung und überführt das Geschehen
in eine narrative visuelle
Ordnung, formt es zu einem lesbaren analysierbaren Akt
um, den eine solche
Tat per se eigentlich nicht besitzt. Bei dieser Form der
ästhetischen
Semiotisierung wird das »Überdrehte«
in der Regel liquidiert.
In den letzten Jahren docken eine Reihe zeitgenössischer
Künstler und
Künstlerinnen mit ihren fotografischen Arbeiten an
das Bildrepertoire der
kriminalistischen Tatortfotografie an, aktivieren diesen
Bildtypus und
machen ihn für ihre Bildaussage produktiv. In meinem
Vortrag interessiert
die Frage, auf welche Weise dies geschieht und wie und
ob sich dabei der
Bildraum auf das »Überdrehte« hin öffnet?
So. 22.05. | 13.15
>> zurück
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Sonja Eismann,
Christine Erharter
Sound Lecture
In einem Vortrag, der Fakten, Theorie und Entertainment
zu einer popfeministischen Edutainment Sound Lecture fusioniert,
skizzieren Christiane Erharter und Sonja Eismann die Evolution
vom female punk der 70er Jahre über die weiblichen
New-Wave-Bands der 80er Jahre bis hin zu den performativen
Strategien zeitgenössischer female electronics. Anhand
von Musikbeispielen, Interviewausschnitten, Multimediaeinblendungen
und dialogischen Erläuterungen werden Parallelen
und Weiterentwicklungen im Umgang mit Gender Roles und
ihrer Dekonstruktion, respektloser Do-It-Yourself-Attitüde
und patriarchalisch verkrusteten Strukturen in vermeintlich
alternativen Kontexten thematisiert. Nicht zuletzt wird
damit eine Genealogie von Künstlerinnen in einem
wichtigen Teil der musikalischen Subkultur sichtbar gemacht,
die verhindert, dass das sprichwörtliche Rad von
jeder nachfolgenden Generation aktiver Frauen immer wieder
neu erfunden werden muss.
So. 22.05., 14.00
>> Ausstellung || 9.4.-24.4.2005 | Eröffnung: Fr.8.4.2005, 20.00
Sonja Eismann,
Christiane Erharter Re-Punk Electronic Music
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