Ariane Litmeyer wurde 1988 in Jever geboren und studierte Design und Kunst an der Hochschule für Künste Bremen. 2021 absolvierte sie ihr Meisterschülerinnenstudium bei Andree Korpys und Markus Löffler.
Ihre Arbeiten sind konzeptuell, interdisziplinär und multimedial, wobei die jeweilige Thematik eines Werks die künstlerische Umsetzung bestimmt. Politisch - gesellschaftliche Themen wie die Auswirkung von konstruierten und etablierten Machtstrukturen auf gesellschaftliche Zusammenhänge und das Individuum selbst werden in den Werken verhandelt.
Kollektive Interaktionen sind darüberhinaus essentieller Teil ihres künstlerischen Schaffens.
Seit 2016 arbeitet sie mit der Künstlerin Anna-Lena Völker zusammen. Das Künstlerinnenduo bedient sich in ihren Installationen unterschiedlicher Materialien und Medien. Ihre künstlerische Praxis begreifen sie als fokussierte Beschäftigung mit Zeitgenossenschaft. Dabei greift ihre Deutung auf poststrukturalistisches Denken zurück, wie ihr künstlerisches Statement anklingen lässt: „Es ist das Wechselspiel aus Schwere und Schwerelosigkeit, das uns beschäftigt — dass aus jeder gebildeten Einheit sich ein Widerspruch zu entwickeln scheint, dass das Muster unseres Handelns dem Muster einer Fliege gleicht, die an eine Wespe erinnert. In einer vermeintlichen Scheinauthentizität, die ‚not the same‘ ist, ‚but quite‘ kreieren wir Warteräume und warten selbst.“ Außerdem ist Ariane Litmeyer Teil des Künstler:innenkollektivs ELAF.
Seit 2019 beschäftigt sie sich gemeinsam mit Jan Charzinski mit der Zeit- und Stadtgeschichte Jevers anhand der Biografie von Fritz Levy.
Das Auftauchen (to emerge) längst vergessener Artefakte ist neben Fischsterben und Waldbränden eine der wohl offensichtlichsten Folgen der durch den Klimawandel hervorgerufenen Dürre. Was zuvor noch ungesehen am Grund von Flüssen oder Seen verborgen war, taucht wieder auf.
In den vergangenen Monaten sind in Texas z.B. 113 Millionen Jahre alte Dinosaurierspuren wieder aufgetaucht, die durch die extremen Wetterbedingungen in einem ausgetrockneten Flussbett wieder zu Tage getreten sind. Damals war es – nach heutigem Stand – ein Asteroid und seine verheerenden Folgen, der das Leben der Dinosaurier nach unvorstellbaren 150 Millionen Jahren beendete. Auch sogenannte „Hungersteine“, die eigentlich im Flussbett oder auf Gewässergründen verborgen sind, treten vielerorts zu Tage. Diese Steine werden seit mehreren hunderten Jahren abgelegt, um die Pegelstände des Wassers zu
markieren – oftmals sind diese mit einer Jahreszahl oder auch mit Inschriften der Warnung versehen: „emergency“. Die Niedrigwassergravuren sind Geschichtsträger, Mahner, Unheilsverkünder, vielerorts schlechtes Omen. Was den Hungersteinen und den Dinosaurierknochen gemein ist, ist dass sie Zeugnisse historischer Katastrophen sind und Teil einer meteorologischen Chronik – und das ziemlich offensichtlich. Doch was machen wir mit dem Wissen über diese Funde? Wir leben in einer Illusion von Kontinuität und Verläßlichkeit, selbst wenn wissenschaftliche Prognosen und gesellschaftliche Entwicklungen ein deutlich anderes Bild zeichnen.
„Klima, Krise, Archäologie“
- so lautete der Titel einer Tagung des Deutschen Archäologischen Instituts in diesem Jahr. Diese Anordnung, die die Kriege und gesellschaftlichen Umbrüche unserer Zeit noch außen vorlässt, zeigt, dass der „emergency“ in der Anordnung versumpft. Krisen sind Alltäglichkeit. Durch Ablenkung, Ohnmacht, Verdrängung und die Gewohnheit des Notfalls/des Ausnahmezustands bemerken wir die schleichende Apokalypse kaum, da sie uns im Alltag nicht tangiert- sind es doch eben nicht vier Reiter die ein Eintagewerk verrichten, sondern ein Untergang der sich über Jahrzehnte anpirscht.
Art Residency #2
Ariane Litmeyer
21.11 -16.12.2022
Do. 15.12. ab 19 Uhr
Faza-ye’adi
gewöhnlicher Raum / ordinary space
[„new traces might surface“]
Offenes Atelier
Faza-ye’adi ist Titel von Ariane Litmeyers Einladung zum offenen Atelier und heißt soviel wie „gewöhnlicher Raum”. Sie schreibt: „Es scheint, wir gewöhnen uns an alles, selbst an immerwährenden Notfall. Wo beginnt die Krise, wo hört der Alltag auf und ist das verhandelbar?” Es geht ihr um das „Auftauchen und die scheinbare Gewöhnung von bzw. an Artefakte des dauerhaften Ausnahmezustands". Das Format des „offenen Ateliers” bietet Gelegenheit zum Austausch und eine Momentaufnahme in einem künstlerischen Prozess.
The Art of Emergency wird dabei insbesondere bezogen auf die aktuellen Proteste im Iran – und ihr Projekt „new traces might surface” in diesem Sinne interpretiert. Wann beginnt Emergency, wann Widerstand? Ein Verteilerkasten in einer Straße, der „Revolutionsstraße”, in Teheran lässt heute die Spur eines Protestes aus dem Jahr 2017 erkennen – er war Plattform einer Protestierenden, die Ihr Kopftuch an einem Stock in der Luft schwenkte. Heute soll ein aufmontiertes Dach aus Blech Menschen diesen Ort vorsorglich unzugänglich machen.
Weitere Arbeiten von Ariane Litmeyer