Anja Krämer

   

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DIE UNFREIWILLIGE SERIE - WIEDERHOLTE WIEDERAUFBAUTEN IM UMFELD DER DENKMALPFLEGE

 

 

 Im weiteren Umfeld der Denkmalpflege läßt sich ein paradoxes Phänomen beobachten: Gerade die Wertschätzung für ein individuelles Einzelobjekt kann dazu führen, daß dieses verdoppelt oder vervielfacht wird.[1] Diesem Phänomen soll an drei Beispielen - anhand eines Bürgerhauses aus Danzig, eines weiteren Bürgerhauses aus Mainz und des aktuellen Beispiels von Goethes Gartenhaus in Weimar - nachgegangen werden. Als Einleitung sollen jedoch zunächst einige Gedanken zum Thema Architektur und Serie vorangestellt werden.

 

 

 SERIEN IN DER ARCHITEKTUR

 

 

 Hausformen und Grundrisse

 

 

 Standardisierte Grundrisse und Hausformen werden schon seit langer Zeitbeim Bau von Wohnsiedlungen angewandt. Dies trifft nicht erst für dieArbeiterwohnsiedlungen des 19. Jahrhunderts oder gar erst für die modernen Bauformen wie das Mietshaus, das Reihenhaus oder das Hochhaus zu.

 

 

 Schon die aus dem frühen 16. Jahrhundert stammende Fuggerei in Augsburg kann als  Reihenhaussiedlung bezeichnet werden. Sie wurde zwischen 1514 und 1523 als Armensiedlung gebaut und bestand zunächst aus 52 Häusern.[2] Diese 52 Häuser bilden  regelmäßige Hausreihen, die sich jeweils aus etwa fünf bis sechs gleichartigen Einzelhäusern zusammensetzen. Jedes Haus beherbergt eine Wohnung im Erdgeschoß und eine im Obergeschoß. Die Wohnungsgrundrisse der Häuser sind größtenteils identisch.

 

 Die in Stube, Küche, Flur und zwei Kammern gegliederten Grundrisse sind nicht nur für die Fuggerei typisch. Unzählige Bauernhäuser Süddeutschlands vom 15. bis zum 20. Jahrhundert zeigen dieselbe Anordnung der Wohnräume.

 

 

 

 Bei der Wiederholung der gleichen Grundrißform an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten sprechen wir nicht von einer Serie. Vielmehr erkennen wir in der Wiederholung einen Grundrißtyp, eine Standardgrundriß.

Dagegen bereitet es keine Schwierigkeiten, die Reihenhaussiedlung der Fuggerei als serielle Architektur zu bezeichnen. Die Häuser besitzen nicht nur denselben Grundriß, sondern auch die gleiche Gebäudeform, sie stehen am selben Ort, sie wurden in einem begrenzten Zeitraum erbaut und es war derselbe Bauherr, der sie errichten ließ. Vor allem aber liegt ihnen eine gemeinsame Planung, eine gemeinsame Idee zugrunde. Selbst wenn nicht alle der genannten Punkte erfüllt wären, könnte man noch immer von serieller Architektur sprechen: Abweichungen in der Form, etwa in der Stockwerkzahl oder der Hausgröße, würde man dann als Variationen begreifen. Einen neuen Bauherren oder Baumeister würde man als einen Bauherren- bzw. Baumeister-Wechsel beschreiben.

 

 Als Schlußfolgerung aus der Betrachtung der Fuggerei läßt sich also festhalten: Um von serieller Architektur zu sprechen, muß es mehr als ein zusammenbindendes Merkmal geben. Abweichungen werden dann als Variation und nicht als Andersartigkeit empfunden. Der Serie muß eine verbindende Idee zugrunde liegen.

 

 

 

 Baustil

 

 

 

 Serialität in der Architektur kann nicht nur auf der Ebene von Gebäuden und Gebäudegruppen festgestellt werden. So läßt sich beispielsweise die Gotik als serieller Baustil beschreiben. Vor allem im Kirchenbau wird es deutlich, wie stark die gotische Architektur von der Wiederholung, von der dichten Reihung gleichartiger Groß- und Kleinformen lebt. Diese Tendenz zur Reihung beginnt schon in der Romanik, indem die Kirchenschiffe in einzelne, aufeinanderfolgende Abschnitte, z.B. Joche gegliedert werden. In der Gotik steigert sich dieser Prozeß immer weiter. Am Beispiel der Sainte-Chapelle in Paris läßt sich deutlich beobachten, wie die gesamte Wand in Arkadenreihen, Fensterfolgen und profilierte Flächen aufgelöst ist. Auch am Beispiel des Chorgewölbes des Münsters von Schwäbisch Gmünd haben sich die Gewölberippen zu einem dichten Netz vervielfacht. Beide Beispiele stellen Höhepunkte innerhalb der beschriebenen Entwicklung dar.

 

 

 

 Da sich die Bauglieder in der Gotik wiederholen, ist es nur folgerichtig, daß sie auch aus gleichartigen Einzelteilen zusammengesetzt wurden. In den Bauhütten wurden die Formstücke, aus denen Bündelpfeiler, Fenstergewände oder Maßwerke bestehen, mit Hilfe von Schablonen vorproduziert. Die ersten Maßwerkfiguren am Übergang von der Romanik zur Gotik sind dagegen noch als Lochformen aus großen Steinplatten oder aus dem Wandmauerwerk selbst herausgeschnitten und nicht aus Einzelteilen zusammengesetzt.

 

 Noch deutlicher erkennbar wird das serielle Produktionsverfahren, betrachtet man die Bauten der Backsteingotik. Hier wurden neben den üblichen rechteckigen Ziegeln Formsteine entwickelt, aus denen Dekorformen wie z.B. Gewölberippen, Wandvorlagen oder Maßwerke gemauert werden konnten. Aus der Verarbeitung dieser Ziegelformsteine ergaben sich auch völlig eigenständige Zierformen und Muster.

   
   
 
 
     

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