The
Art
of
Emergency

Dorothea Koch

Weitere Arbeiten (Auswahl)

23 Dinge





Im Februar 2021 haben Dorothea Koch und Alexander Mayer in die Briefkästen der Rosentraße in Lübeck ein Anschreiben verteilt und um die Leihgabe von einem Ding aus dem persönlichen Besitzder Anwohner:innen gebeten. Von 14 Anwohner:innen wurden insgesamt 23 Dinge ausgeliehen, mit denen Koch und Mayer bis zum Ausstellungsaufbau Ende April gearbeitet haben. Dabei spielten Fragen eine Rolle wie:

»Welches Verhältnis haben wir zu ganz alltäglichen Dingen?«, »Sind Dinge auch Augenschmaus?«, »Wann tut es in den Augen weh?«, »Dinge und Materialität – weshalb hat man Steine im Haushalt?«, »Werden Dinge unter Coronabedingungen mehr ins Herz geschlossen?«, »Was passiert mit einem Gegenstand, wenn er außerhalb seines ursprünglichen Kontextes präsentiert wird?«, »Verändert sichdas Verhältnis zum Gegenstand beim Einnehmen einer anderen Perspektive, beim Anziehen eineranderen Brille?

Die Ausstellung musste aus Coronagründen in einem Schaufenster gezeigt werden. Gefördert und unterstützt wurde sie von der Possehl-Stiftung und dem Kulturfunken Lübeck.


Resonanz und Wunder

Auf Einladung des Ausstellungsortes Artenne Nenzing in Österreich haben Dorothea Koch und Nicole Noack sich mehrere Monate lang mit Gegenständen vom Dachboden des Hauses auseinandergesetzt. Die Ergebnisse ihrer Recherchen wurden 2019 als Rauminstallation in der Artenne gezeigt.

Auf einem Tisch im Ausstellungsraum lagen diverse Objekte des Dachboden-Depots der Artenne: Holzteile, Knöpfe, alte Zeichnungen, eine Schaffnermütze, geflickte Strümpfe, Zeitungsseiten u. a.

Diesen Gegenständen sind Dorothea Koch und Nicole Noack mit dem Blick der Ortsfremden begegnet. Sie haben neue Ordnungen und Verknüpfungen entstehen lassen, Bedeutungsebenen und Kategorien verschoben und dabei ausreichend Raum für Absurdität gelassen.

An zwei Wänden fügten sich unterschiedliche Textebenen(Sachtexte, persönliche Texte, Zitate, Buchauszüge) zusammen mit Fotos, Zeichnungen, Fotokopien und kleinen Objekten zu einem imaginären Geflecht. Die assoziierten Zusammenhänge zwischen Wandarbeiten und Objekten auf dem Tisch wurden durch kleine angefügte Nummern für die Besucher:innen erleichtert. Trotzdem war hierbei nicht das schnelle Entschlüsseln von Belang. Verbindungen sollten gefunden und nicht gesucht werden!


Forschungsgruppe V.F –
ein fortlaufender interdisziplinärer Werkprozess

Wie schreibt man eine Biographie? – Jacques Le Goff (1989)

In der Folge einer ergebnislosen internen Diskussion zur Umbenennung der ehemaligen Viktoria-Kaserne in Hamburg-Altona hat sich die künstlerische Forschungsgruppe V.F gebildet. Sie recherchiert seit Februar 2017 zu der fiktiven Identität von V.F (Viktoria Fuchs/Victoria Fox/Vicky Fuchs), deren konstruierte Lebensgeschichte parallele Bezüge zur Kaserne und Hamburgs Geschichte aufweist. Basis für die Recherche bildet ein einem ersten Schritt ein Zeitstrahlvon 1878 bis heute. Es entstanden diskursive Sammlungen zu Biografien, überwiegend von Frauen, innerhalb dieses Zeitraums, z. T. durch Anbindung an die Namen Viktoria bzw. Fuchs. Themen komplexe wie Biographie und Spurensuche, Gedächtnis versus Erinnerung, Re- und Konstruktion von Identitäten /Biografien und Geschichte spielten dabei eine wesentliche Rolle. Das Projekt ist als fortlaufender interdisziplinärer Werkprozess zu verstehen. Mitglieder der Forschungsgruppe V.F (Dorothea Koch, Alexander Mayer, Nicole Noack u. a.) arbeiten in der ehemaligen Viktoria-Kaserne. 2017 und 2018 zeigte die Forschungsgruppe erste Ergebnisse in der Ausstellung »100 Fragenan V.F«. Die thematisch angegliederte performative Hausführung» Das Leben soll mich treffen wie Wetter ohne Schirm «durch die ehemalige Viktoria-Kaserne wurde von Dorothea Koch konzipiert.

Aus der Eröffnungsrede von Nora Sdun (Textem-Verlag)

... Es geht immer darum, welche Geschichte von wem erzählt wird, und vor allem welche nicht ... welche Leerstellen tun sich dabei auf, oder schließen sich ...In so eine Leerstelle hinein hat die Recherchegruppe nun also Vicky Fuchs hineingedacht, wobei die »Stelle« in dem Wort »Leerstelle«, eben kein Platz ist, auf dem man etwas sicher und für längere Zeit abstellen könnte, denn fürchterlicher- oder wunderbarerweise verschiebt sich dieser Zwischenraum / die Leerstelle dauernd und geistert zwischen den historisch belegten Fakten herum, zwischen denen je nach Blickwinkel sehr viel Raum zu sein scheint.… (das Phantom) Vicky Fuchs erscheint als eine Anhäufung von disparaten, widersprüchlichen, unvermittelbaren Elementen. Zusammengehalten einzig von der unerbittlich aber eben auch verlässlich sich abspulenden Zeit (wenn schon die, sich verschiebenden, Zwischenräume nicht stabil sind, die Zeit ist zuverlässig– zumindest bei diesem Projekt) Und natürlich wissen das die Erfinderinnen und Erfinder von Vicky Fuchs. Wie wäre es andersherum, wie wäre es wenn wir der Narration glauben würden? Wenn man an Vicky Fuchs glaubt, wirkt eine Vermittlungsallmacht, die alle Widersprüche und Unmöglichkeiten versöhnt und alles Verdächtige selbstverständlich macht (solche Privilegien haben alle Gläubigen, egal ob man an Vicky Fuchs, Einhörner oder Götter glaubt).