Lisa Rein alias Hysterical Pixel ist eine in Berlin lebende Künstlerin, Forscherin und Designerin. In ihrer interdisziplinären Arbeit beschäftigt sich mit digitalen Medieninfrastrukturen, Codes, Sprachen und emanzipatorischer Praxis. Ihr Studium an der Aalto Universität Helsinki im Fachbereich Neue Medien mit dem Nebenfach Visuelle Kultur, Kuratieren und Zeitgenössische Kunst schloss sie im Jahr 2021 ab. In ihrer Masterarbeit Dirty Computers — On the Sociocultural Implications of the Computational (Schmutzige Computer — Über die soziokulturellen Implikationen des Computational) erforscht sie die diverse Geschichte von Computern, dem Internet und dem Digitalen, und stellt zehn Metaphern auf, die die aktuellen digitalen Landschaften paradigmatisch beschreiben. LR lehrt an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), Berlin und wird ab April 2022 an der Hochschule für Künste Bremen unterrichten. Sie ist Mitglied von Kollektiven wie FemMusic und faces und trägt auf unterschiedliche Weise zu digitalen feministischen Diskursen bei.
Aktuelle Projekte:
2021 Forschungsassistentin am Tirana Art Lab (Kooperation mit Aalto Universität Helsinki)
2020 Teilnahme an C& — Center of Unfinished Business (transmediale 2020).
2020 Strange Things, UdK Gruppenausstellung im Silent Green Berlin
Ich erforsche seit mehreren Jahren mit künstlerischen und wissenschaftlichen Mitteln digitale Infrastrukturen (Programmiersprachen, Internet, Algorithmen, Netzwerktheorien etc.) und werde mich während des Atelierstipendiums mit der Symbiose von Computerforen als Sammelbecken der "Brogrammer"- Szene und dem Paradigma der Programmierbarkeit, das tief in der Geschichte digitaler Systeme verwurzelt ist, beschäftigen.
“Creating the new tag ‘feminism‘ requires at least 150 reputation.
Try something from the existing tags list instead.“
Stackoverflow.com ist eins der am meisten genutzten Internetforen für Fragen rund um Programmiersprachen und Computertechnologie. Google verwies mich vor einigen Jahren zum ersten mal auf die Seite, als ich wieder mal bei einem Codingproblem nicht weiterkam. Während ich mich durch Fragen und Antworten zu Javascript und HTML klickte, fiel mir die Kategorie Hot Network Questions ins Auge, die am rechten Bildschirmrand die besten Fragen aus allen Foreneinträgen präsentierte.
"Why was Sauron preparing for war instead of trying to find the ring?“
"Does academia have a lazy work culture?“
"How to respond to a sexual harrassment claim made against you?“
Die Fragen schienen so willkürlich und gleichzeitig so spezifisch, dass ich mich immer weniger für meine Javascript-Probleme und immer mehr für die heißen Netzwerkquestions zu interessieren begann. Ich wollte mitmischen und vor allem wollte ich verstehen, wie Stackoverflow funktioniert, als Community, die kooperiert, und als Struktur, als Automat, der Antworten auf Fragen generiert, die sich bei weitem nicht so eindeutig beantworten lassen, wie der vielzüngige Apparat es suggeriert.
Automated Communication
The same rules apply to all of these platforms: Questions and answers only, no opinions, no discussions, no "chit-chat". Good (right) answers, and also good (right) questions are voted up by other users, bad ones down. Users earn "reputation" through their rightful and good answers, questions and activities and reputation equals power: It is counted in little stars and the more stars a user has earned, the more functions are unlocked. Someone with a high reputation can comment, delete and vote on questions and answers, someone with no or low reputation cannot.
Das Paradigma der Programmierbarkeit bestimmt die Codes of Conduct von Stackoverflow und generiert eine Kommunikationsstruktur, in der Antworten einer Unterhaltung nicht chronologisch, sondern nach ihrem vermeintlichen Wert geordnet werden. Getreu der Logik des Computational Universe (N. Katherine Hayles) lassen sich nicht nur Zahlen entlang einer Skala von 0 bis 100, von gut bis schlecht, sortieren, sondern alle möglichen anderen komplexen Elemente, wie zum Beispiel die Beiträge in einer Konversation. Der zwanghafte Versuch menschliche Kommunikation zu klassifizieren und zu automatisieren führt zu regelmäßiger Überforderung, zu Stackoverflow, wie es der Name des Forums in unfreiwilliger Komik vorwegnimmt.
Meine ersten Erkundungen des Forums liegen schon einige Jahre zurück. Immer wieder habe ich Bildschirmspaziergänge auf Stackoverflow gemacht, mitunter selbst Fragen in den Schlund der Antwort-Generationsmaschine geworfen, meist ein vielstimmiges Gebrüll zurückerhalten und in Screenshots festgehalten, was ich festhalten konnte, bevor meine Beiträge gelöscht wurden von Usern mit mehr reputation. Diese Sammlung liegt in einem Ordner auf meinem Computer und wartet darauf, dass ich mich ihr widme. Während des Atelier-Stipendiums werde ich sie sichten, erweitern und mich bemühen, eine Form für sie zu finden. Wenn ich darüber nachdenke, wird plötzlich aus den dokumentierten Chat-Gesprächsfetzen ein Dialog im Raum, ein Theater, eine Kommunikationsmaschine oder eine cyberfeministische Kooperation.