Samya Boutros Mikhail // Im Himmelreich der Hirsche In Im Himmelreich der Hirsche spürt Samya Boutros Mikhail Vergangen- heit und Gegenwart des österreichischen Kurbades Bad Gastein nach. Das Video beginnt wie eine Naturdokumentation. Eine Hirschherde wird beobachtet, die sich um einen Futtertrog sammeln. Dort demonstrieren die Tiere ihre strikten Rangordnungen. Durch die immer dichtere Besiedelung der Täler und der Erschließung der Skisportgebiete sind die Tiere immer höher auf die Berge gezogen und finden in den höheren Lagen im Winter nicht genügend Nahrung. Der Mensch greift ein und versorgt sie in dieser Zeit mit Futter. Für Bad Gastein gehören die Hirsche zur Identität dazu. Die Verdrängung der Hirsche und ihre ungewisse Zukunft setzt Samya Boutros Mikhail in Verbindung zum verblassenden Glanz der Ortsmitte. Bad Gastein erlangte durch seine besondere Heilkraft verheißenden Thermen einen beachtlichen Wohlstand. Mehrere mondäne Hotelpaläste schmücken im Stil der Belle Époque den Ortskern. Doch sind es heute lediglich Fassaden, die von besseren Zeiten zeugen, denn seit fast zwanzig Jahren stehen die alten Prachtbauten leer und der Mittelpunkt von Bad Gastein ist menschenleer. Katharina Groth → Anna Bromley & Michael Fesca // Blindlings lachen Radioessay, 45 Min Wenn wir über einen Witz lachen und damit seine Vieldeutigkeit genießen, dann zeigt das, dass wir über das Belachte gut Bescheid wissen. Wir könnten nicht lachen, wenn uns unklar wäre, warum es aus dem Rahmen fällt, warum es taktlos und also witzig ist. Aber die Freude an der eigenen Informiertheit, das Entdecken von Mehrdeutigem oder die Abfuhr von Spannungen erklären nur begrenzt das, was den körperlichen Kollaps und die Selbstvergessenheit des befreienden Lachens ausmacht. Entscheidend ist doch, dass das Witze-Erzählen eine virtuose Aufführung ist, in der, wenn sie gelingen soll, Modulation, Stimme und vor allem der Sprechrhythmus übersteigert werden müssen. Und zwar nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Blindlings lachen plädiert dafür, Witz (im doppelten Sinne) als ein Rebellieren gegen “normale”, scheinbar natürliche Zeitlichkeiten und Rhythmen zu denken. Gewitzte handeln aus einem Körperwissen des gekonnten Timings heraus. Sie weichen in einer Art, die sich irgendwie gut anfühlt, vom allgemeinen Taktempfinden ab und zelebrieren ein Neben-dem-Takt-sprechen, ein Off-the-Beat-Sprechen, das im Lachen seinen körperlichen Break findet. Lachen ist hier ein Black-Out, zu dem uns ein solches synkopiertes Sprechen raffiniert hinreißt; ein Körperzeit-Raum ekstatischer, polyphoner Wissensfindung. Die Radioarbeit bezieht Überlegungen und Wortbeiträge von Eske Böckelmann, Bernd Bösel, Diederich Diedrichsen, Golden Diskó Ship, Preciosa de Joya, Helga Kotthoff und Jana Sotzko ein, die von Studioexperimenten der Künster*innen mit der Cellosolistin Ulrike Brand perforiert werden. → Marion Denis // double blind Zur digitale Plattform von Marion Denis 'double blind' ist eine künstlerische Untersuchung des Ursprungs von Wissen im biologisch-medizinischen Bereich. An den Orten der Wissensgenerierung wird ein Blick auf naturwissenschaftliche Abläufe geworfen, die sich mit dem chromosomalen Geschlecht beschäftigen. Konzeptuell angelegte Fotografien zeigen die am Erkenntnisprozess beteiligten Apparate und Tätigkeiten. Das wissenschaftliche Bild, das durch festgelegte Verfahren generiert wird, vermittelt uns als Kommunikationsform einer Berufsgruppe eine Ahnung über die ihm zugrunde liegenden Zeichensysteme. 'double blind' besteht aus sw-Bildern von Geräten, die von der Leiterin eines humangenetischen Labors fotografiert wurden, und color-Fotografien einer Chromosomendarstellung, aufgenommen von der Künstlerin. Ein dritter Teil der Arbeit ist ein Gespräch zwischen Marion Denis und der Biologin über Erkenntnissuche und Laborerfahrungen. → dilettantin produktionsbüro ERFRISCHUNG Der japanische Parawissenschaftler und Alternativmediziner Masaru Emoto (1943-2014) ging davon aus, dass Wasser Emotionen speichern kann und diese Wassercluster bspw. auch für die Übertragung von Informationen in der Homöopathie verantwortlich sind. Wassercluster sind instabile, meist kurzlebige Zusammenschlüsse von Wassermolekülen zu größeren Molekülverbünden. Doch wie übertragen sich diese Informationen auf das Wasser? Heute weiß man, dass der energetische Zustand des Wassers von seiner Clusterstruktur, die durch Bewegung oder Stillstand veränderbar ist, abhängig ist. Der österreichische Förster und Naturbeobachter Viktor Schauberger (1885-1958) erkannte als einer der ersten, dass bewegtes, verwirbeltes Wasser über eine höhere Qualität verfügt. Belebtes Wasser, auch als levitiertes, vitalisiertes oder hochstrukturiertes bezeichnet, ist Wasser, das z.B. durch Verwirbelung in seine „ursprüngliche“ Ordnungsstruktur als „lebendiges“ Quellwasser zurückversetzt wurde. Nur lebendiges Wasser kann nach Johann Grander (1930-2012) den Körper energetisieren, erquicken und laben. Die Labe, mhd. für etwas, das erfrischt, bspw. ein kühles Getränk oder Nahrung, ist Ausgangspunkt für die Inszenierung ERFRISCHUNG der KünstlerInnengruppe dilettantin produktionsbüro . In Bezug auf den aktuellen Wissensstand zum Thema Wasser und seiner Energetisierung eröffnet die Inszenierung einen gustatorischen Erfahrungsraum als Teil der Werkreihe „Tu dir Gutes“. → Sibylle Feucht // Aesthetics of Security | Johannesburg | 2014 Projektion Zur digitale Plattform von Sibylle Feucht Während mehreren längeren Aufenthalten in Johannesburg, Südafrika im Jahr 2013 entstand eine Sammlung von über 300 Fotografien sowie Filmmaterial, das ausschließlich Grundstücksmauern von Privathäusern in den – nach wie vor hauptsächlich von Weißen bewohnten – zentralen Wohngebieten von Johannesburg zeigt, ergänzt mit Elektrozäunen, Kameras, Warnschildern sowie Holzhäuschen für bewaffnete Wachmänner. Diese Wohngebiete werden durch diese Mauern stark geprägt. Auf den Strassen, die oftmals keine Gehwege besitzen, ist ausschließlich das Dienstpersonal unterwegs. Ursprünglich als Besitzabgrenzung und Ordnungsstruktur hat sich deren Funktion aufgrund der nach wie vor riesigen ökonomischen Unterschiede zwischen reich und arm und der daraus resultierenden Kriminalität, in eine eigentliche Sicherheitsstruktur gewandelt. Der private Raum ist der vermeintlich sichere Raum und der öffentliche Raum wird zum Kriegs- und Krisengebiet. Die Aufnahmen von sicherheitstechnisch aufgerüsteten Grundstücksmauern werden als digitale Dia-Show projiziert. → Vera*Simon Harder // Stimmlos 1 Zu „Shape of A Right Statement“ Zum Audiobeitrag von Vera*Simon Harder Nichts wie hier – sind wir: Ein Kaugummi, ein Text und ein Video entspinnen ein Gespräch. In einem Raum. Sie unterhalten sich über Stimmlosigkeit, die sie gleichsam als Resultat eines andauernden, gewaltsamen Prozesses verstehen. Gemein ist ihnen, das merken sie schnell, das Interesse an Klangfarben und Nebengeräuschen von Stimmlosigkeit. Das Video Shape of A Right Statement des Queer- und Transgender-Aktivisten Wu Tsang steht visuell abwesend im Zentrum dieses Audiobeitrags, der aus dem Verlangen heraus, anders zu sprechen und darin erkennbar zu werden, die Form des Texts als eigentlichen Ort einer Arbeit am Inhalt ernst nimmt. Stimmlos 1 nistet sich in der Verkennungsstruktur von Sprache ein. Als Kaugummi: permanent verformte, unförmige Einschreibung, die die Grenze zwischen Innen und Außen vermengt. Als Text, der das Kunstwerk, Räume und Augen, Blicke mit herstellt und sie doch verfehlt. Stimmlos 1 untersucht, wie wir interagieren und dabei Überschuss produzieren: In my language maybe. → Josch Hoenes // Von Mythen und Monstern – Überlegungen zu den Absurditäten der Geschlechterordnung Die symbolische Ordnung der Geschlechter strukturiert unsere Kultur so grundlegend, dass sie scheinbar nicht in Frage gestellt werden kann und immer wieder natürlich und unverrückbar erscheint. Die Vorstellung, dass es in Wirklichkeit doch nur zwei und genau zwei Geschlechter gibt wird dabei in Hollywoodschinken, Werbebotschaften und Musik immer wieder so fest zementiert, dass alles was sich dieser Ordnungsvorstellung widersetzt angsterfüllt abgewehrt, ins Unsichtbare verdrängt oder ins Monströse transformiert werden muss. Dabei hat die Ordnung der Zweigeschlechtlichkeit mit Natur wenig bis gar nichts zu tun – vielmehr entstammt sie mythischen Geschichten, mit denen wir uns unsere Wirklichkeit einrichten und begründen, die uns in der Welt positionieren und orientieren. Und weil es mythische Geschichten sind, kunstvolle Fiktionen, die im verborgenen operieren, uns so tief eingeschrieben sind, dass sie uns unmittelbar berühren, treffen, bewegen oder fesseln – lässt sich ihnen nicht so einfach entkommen. Sie lassen sich aber erzählen und neu erzählen. Anhand von Texten, Sprachbildern und Tönen begibt sich der Beitrag auf die Suche den Absurditäten einer Geschlechterordnung, die so tut als ob sie natürlich und notwendig sei, hört sich bei den Monstern dieser Ordnung um und lädt ein das in Wirklichkeit real existierende Chaos der Geschlechter zu genießen. → Bianca Holtschke & Ragna Müller //
Zum Audiobeitrag von Bianca Holtschke & Ragna Müller Ausgangspunkt für unsere Arbeit ist der Versuch, einen Fundus von Glühbirnen zu inventarisieren. Durch die Beschäftigung mit der Inventur rückte die Frage nach möglichen Darstellungsformen und der Übersetzungsmöglichkeiten des Materials in eine Beschreibung in den Vordergrund. Die Beschreibung tritt an die Stelle des Objekts und nimmt seinen Platz ein. Ausgehend von der These "keine Methode ist geeignet" untersuchten wir prozessorientiert aus unserer Perspektive das Material. Unser Umgang mit dem Material bedient sich der Versprachlichung, Aufzeichnung, Transkription, Zerlegung und Notation. Unser Interesse gilt der Schnittstelle zwischen Übersetzung und Konstruktion. → Alex Giegold PARAdays Zur digitale Plattform von Alex Giegold para: örtlich: von … her, bei, neben … hin, zu … hin, entlang zeitlich: während, neben, bei übertragen: gegen, wider, im Vergleich mit, neben days: engl. Tage Ein Tag ist eine Zeiteinheit und entspricht im allgemeinen Sprachgebrauch einem Intervall von 24 Stunden. Paradies: lat. paradisus, griech. paràdeisos, alt-iran. pari daeza Im Alt-Iranischen bezeichnete Paradies einen idealisierten, ewigen, wenn auch von Mauern umgebenen Raum. PARAdays: ist das Extrakt einer zweijährigen Reise, einer Suche nach und eines Kampfes um Identitäten in einer heteronormativen Welt. Anhand eines Verschlagwortungsverfahrens werden sowohl Erinnerungsmechanismen als auch die Archivierung des persönlichen Bildmaterials reflektiert und veranschaulicht. “Das Paradies kann sich rar machen, das ist so seine Art.” Christa Wolf, Nachdenken über Christa T. → Giegold & Weiß // Genital Call Zur digitale Plattform von Giegold & Weiß „Genital Calll“ ist eine audiovisuelle Installation die sich mit Genitalien befasst. Ein Aufruf wurde in erster Linie, aber nicht ausschließlich an Cis*sexuelle gerichtet und bat sie darum, in einem kurzen Text ihre Genitalien zu beschreiben. Die visuelle Umsetzung dieser Beschreibungen wurde bei professionellen Gerichtszeichner_innen in Auftrag gegeben. Sie wurden darum gebeten, beim Zeichnen zu versuchen ihr Wissen über Genitalien zu vergessen. Ausstellungsbesucher_innen sind eingeladen, die Interpretationen der Gerichtszeichner_innen durch eigene Skizzen zu ergänzen. Die eingereichten Texte wurden von elf Sprecher_innen eingesprochen und sind über Kopfhörer hörbar sowie auf einem Bildschirm in Gebärdensprache sichtbar. Der Aufruf war hauptsächlich an Cis*sexuelle adressiert, um gesellschaftlich „natürlich“ und „normal“ eingeordnete Genitalien in einen juristischen Kontext zu platzieren und durch den Wechsel der Medien einer Verzerrung auszusetzen. Bei Penissen und Vulven denken viele Menschen an eindeutig unterscheidbare Genitalien, anhand derer sich Menschen in zwei Kategorien einteilen lassen. Diese Annahme wird durch die deutsche Gesetzgebung untermauert. Die Idee zu „Genital Call“ entstammt der Auseinandersetzung mit Gerichtsprozessen in England, Israel und Schottland, in denen - häufig sehr junge Menschen - zu teilweise mehreren Jahren Haft verurteilt wurden, weil sie ihr bei Geburt zugewiesenes Geschlecht und das Aussehen ihrer Genitalien in Kontakt mit neuen (potentiellen) Partner*innen nicht offengelegt hatten. 1Cis*sexuell: Eine cis*sexuelle Person identifiziert sich mit dem Geschlecht, dass ihm oder ihr bei Geburt zugewiesen wurde. Zum Beispiel sagt Ihre Geburtsurkunde weiblich, und Sie identifizieren sich als Frau → Justyna Giermakowska Verris Bildershow 55 Seiten einer Skizzenversion einer Magisterarbeit in Literatur, geschrieben für den Abschluss an der Universität Warschau, Studiengang Germanistik. Die letze Korrektur vor der endguültigen Abgabe stellte den wissenschaft- lichen Charakter, der als Voraussetztung fuür die Magisterarbeiten an der Universität gilt, komplett in Frage. Die einzelnen Blätter werden in umgekehrter Reihenfolge präsentiert, die Kulmination der Kritik wird vom Korrigierenden auf dem Titelblatt der schriftlichen Arbeit geäußert. Die roten Korrekturen sind hervorgehoben -dessen Kontext wurde durch das Bedecken des eigentlichen Textes mit Tipp-Ex entzogen. Die Bildershow umrahmt einen Titel mit einer Referenznummer am Anfang und ein Verweis am Ende -eine Grundregel des formalen Aufbausystems einer wissenschaftlichen Arbeit. → Franziska Kabisch // Podium Zur digitale Plattform von Franziska Kabisch Herzlich Willkommen zu unserer Podiumsdiskussion. Ich freue mich, Sie alle, euch alle, vor allem auch unsere Gäste recht herzlich zu begrüßen. Den Rahmen für unsere Diskussion bildet heute das Sprechen über, vor allem das Sprechen über Andere. Das Sprechen über Andere kommt nicht umhin, Tatsachen zu konstruieren, die dem Eigentlichen nicht gerecht werden und einseitig bleiben. Sprache stellt dar und schreibt fest. Vor diesem Hintergrund werden die Gäste auf dem Podium heute Abend über folgendes sprechen: Was passiert, wenn eine Expertin über andere spricht? Und kann es Expertise über andere überhaupt geben? Was konstituiert eine_n Expert_in? Wem wird Expertise zugetraut und verantwortet und wem nicht? Wer profitiert vom Konzept des Experten? Ist der Glaube an Expertise und die Figur des Experten eher problematisch oder hilfreich? Ich begrüße Evelyn Hayn, Sharon Dodua Otoo, Melanie Brazzell, Leonhard Fuest, Vassilis Tsianos und Christian Schütze, der das erste Wort hat. Bitteschön. → Mano Idios Krach // das thron Zur digitale Plattform von Mano Idios Krach In einem qualvollem Prozess entschält sich eine organische Stofflichkeit in die Figuration einer Kreatur in die maschinelle Verortung des Leibes, schreibt die Maschine als ehemahligen Kerker der Natur um in einen Thron der die Erinnerung der Maschine als gewaltsamen Prozess nicht auslöschen kann. VideoRaumInstallation, 28min, Loop, HD, 16:9, 1- Kanal Video und Audio . → Ins A Kromminga & Jannik Franzen // Zeichnungen, Objekte, Film Zur digitale Plattform von Ins A Kromminga & Jannik Franzen Die Vielfalt von Körpern, Geschlechtlichkeiten und Identitäten unterliegen in unserer Gesellschaft dem Ordnungsprinzip der Vereinfachung: Es gibt nur zwei Geschlechter, nur Mann und Frau. Innerhalb dieser zwei geschlechtlichen Ordnungsprinzipien gelten strenge Regeln und Grenzen, Überschreitungen sind tabu, werden pathologisiert und durch Instanzen wie Medizin und Psychologie reguliert und therapiert. Trans*- und Inter*Menschen stören diese Ordnung und widersprechen dem Ordnungsprinzip und dessen Naturalisierung. Die Installation wirft einen queeren und satirischen Blick auf die Forschenden und den Gegenständen ihres Interesses, auf ihre Wissensprodukte in Form von Literatur, Abbildungen und Bewegungsstudien. Besonders gut erforscht sind die Sexualität und im Labor herbeigeführte Geschlechtsveränderungen bei Nagetieren, z. B. Ratten und Meerschweinchen. Daher erhält das Meerschweinchen (engl. Guniea Pig = Versuchskaninchen) einen Ehrenplatz im Labor, gleich einer Ahnengalerie von ehemaligen Forschungsobjekten und deren entkörperte Genitalien, die auf die sogenannten Praderstufen (siehe Abbildung unten) hinweisen. »Labor und Feldstudien mit Dr. Lores« Filmstills (Video HD) 2012 | Ins A Kromminga & Jannik Franzen (Performance: Coco Lorés) Der Film »Labor und Feldstudien mit Dr. Lores« ist inspiriert durch erprobte und lange angewandte Untersuchungsmethoden der Sexualwissenschaft aus den 1970er Jahren. Darin erforscht die queere Performerin Coco Lorès anhand von Labor- und Feldstudien zu Bewegungsabläufen geschlechterspezifische Arten, einen Ball zu werfen oder einen Rollkoffer zu ziehen. → Christine Lemke // Seit ich die Sprache lerne, die ich spreche Zum Audiobeitrag von Christine Lemke Christine Lemke arbeitet zu ihrer künstlerischen Arbeit als Dozentin für Deutsch als Zweitsprache in einem Migrantenverein in Berlin / Neukölln in sogenannten Integrationskursen. Diese Arbeit – die Erfahrung und Auseinandersetzung mit ihrer staatlich geregelten administrativen wie inhaltlichen Rahmung – ist in das literarische Essay „Seit ich die Sprache lerne, die ich spreche“ eingeflossen. In „Seit ich die Sprache lerne, die ich spreche“ nimmt Lemke eine spezifische Auswahl von Bildmaterial aus speziell für Integrationskurse entwickelten und vom Bundesamt für Migration- und Flüchtlinge zugelassenen Deutschlehrwerken zum Ausganspunkt, um über die ideologischen Implikationen und identitären Prozeduren des Lehrens und Lernens einer Sprache im Allgemeinen und innerhalb eines staatlich reglementierten Settings im Besonderen nachzudenken. Dabei liegt ihr Hauptaugenmerk auf der Untersuchung identitätsordnender und identitätszuschreibender Momente, die sich in der pädagogischen Konzeption der Integrationskurse niederschlagen. Das in „Seit ich die Sprache lerne, die ich spreche“ herausgearbeitete Motiv der sprachlichen Konstruktion koheränter Subjekte und Identitäten spiegelt sich in den ausgewählten Illustrationen wieder und findet im Verlauf des Textes eine weitere Thematisierung in der Reflektion der Tätigkeit des Schreibens selbst. Im Rahmen von Ordnung / Struktur wird Lemke „Seit ich die Sprache lerne, die ich spreche“ als Lesung aufführen. → Charlotte Livine // WHAT DOES I DO ? // Scale Modifications on a bassline. Zur digitale Plattform von Charlotte Livine (2015) - « (2014) - « I write, I build - but what ? - I define myself, and push myself in the pre-scripted role. Avoid the definitions, and open slight shifts within their very order. I try. » (2013) - « I would not achieve any statement. I should be loath to fulfill works with constance and consistency, though it stays the idea of an attractive solution : yielding to comfort. » (2012) - « Reading fragmentation through different processes. Impossibility of a global perception - Representation of things which work as signs for others - Hiding the point. Organisation of elements to build, into the abstract, into sentences, sense of interpretation to lead to thoughts. » (2011) - « Die Absicht ist, die Zusammenhanglosigkeit des inszenierendes Akts zu ihrem Höhepunkt zu bringen. Ohne Begriffsinhalt, ohne Bedeutung, ohne halbe Masseinheit - der Kontext, das «Dekor» als Ausgleichung zu bearbeiten. Meiner Meinung nach würde dieser Prozess die fragile Ausgeglichenheit in einem Werk, in dem der Blick inszenieren wird, gewährleisten. Die Ausgeglichenheit, auf die die Nichtsnutzigkeit, die sich eine Nützlichkeit entdeckt ankommt.» → Stefanie Mallon // Ordnung / Struktur : Eine Auseinandersetzung Zum Audiobeitrag von Stefanie Mallon Welche Bedeutung nimmt das Spannungsfeld zwischen Ordnung und Unordnung im künstlerischen Bereich an? Während Künstler_innen zugestanden wird, sie seien ‚Herrscher über Unordnung‘, unterstellt man ihnen auf der anderen Seite eine gewisse Angst vor Staubwedeln in ihrem Wirkungsbereich. Unordnung – so ein wiederkehrendes Motiv in modernen Narrationen – sei erst der Nährboden für Kunst. Putzfrauen hingegen kämen ihrem Ordnungsauftrag mit mangelnder Vorstellungskraft, aber auch einer gewissen sympathischen und zupackenden Naivität gegenüber künstlerischer Grenzverschiebung nach. In der Reproduktion dieser Motive schwingt sicher auch ein wenig Belustigung mit, ob der verkehrten Welt der Kunst. Die Fettecke von Beuys? Eine Kalkschicht im Eimer bei Martin Kippenberger? Sicherlich passen diese nicht in den kleinbürgerlichen Ordnungssinn. Zu Schmutz, so schreibt die Anthropologin Mary Douglas 1966, wird etwas nur, wenn es nicht in das gegebene Ordnungssystem passt. Der Diskurs zu Unordnung im Umfeld der modernen und zeitgenössischen Kunst verläuft anders als im bürgerlichen Wohnmilieu. Pierre Bourdieus Theorie der „Feinen Unterschiede“ zufolge distinguiert sich das Kunstpublikum beim Betrachten dieser Werke dadurch, dass es ihnen möglich ist, diese Materialien, die im bürgerlichen Kontext als Schmutz gelten könnten, als ‚Kunst‘ zu rezipieren. In dieser Auseinandersetzung wird diskutiert, wie die Einhaltung von Ordnung durch die resultierende Vereinheitlichung von Erfahrung zur Stabilisierung der Gesellschaft dient, bestimmte subversive und institutionelle Unordnungserfahrungen jedoch zugelassen werden, um die Grenzen des Denk- und Erfahrbaren auszuloten. → Lene Markusen // WORK IN PROGRESS DIE UNSICHTBARE GRENZE Stand März 2015 Das Filmprojekt DIE UNSICHTBARE GRENZE untersucht die Konstitution von Grenzen, Abgrenzung und Nationalismus am Beispiel von Körper und Raum. Ausgangspunkt bilden historische semidokumentarische Propagandafilme über die Dänische Minderheit in Norddeutschland, bei welchem mein Interesse den hier aufgezeichneten Turnschauen gilt. Dieses Archivmaterial setze ich in Bezug zu eigenen aktuellen Aufnahmen von Orten in der Nähe von und direkt an der Deutsch-Dänischen Grenze. Die Turnerinnen und die Grenzorte betrachte ich nicht als isolierte Einheiten, wo der Körper mit einer bestimmten Identität gleichzusetzen wäre und, wo der Raum nur ein konkretes Territorium bedeutet, auf welchem Handlung stattfindet. DIE UNSICHTBARE GRENZE setzt anhand von Montage Raum und Körper in ein relationales Verhältnis und zeigt dabei, wie Raum unter anderem durch Körperhandlung entsteht und wie Körperhandlung räumliche Strukturen durch Wiederholung bestätigt. Leerstellen in den hier vorhandenen Konzeptionen von Körper, Raum und Grenze möchte ich durch diese Betrachtung offenlegen. → Helene von Oldenburg // Stillleben Wir sind eingebunden in Gesetze, Regeln und Gewohnheiten. Und unser Gehirn sucht immer und überall nach Reihen und Ordnungen und ergänzt Bilder und Informationen bis sie sich einpassen. Unordnung ist ein permanenter Störfaktor. Unordnung zeigt ein Scheitern im Alltag. Unordnung weist auf eine psychische Fehlfunktion hin. Unordnung ist unerträglich. Unordnung ist Stillleben. → Ulrike Paul // Von Pilzen und anderen Wolken Mehrkanalvideoinstallation Zur digiatale Palttform von Ulrike Paul Eine über Jahre angelegte Sammlung von Zeitungsbildern verschiedenster Wolkenarten bildet den Ausgangspunkt für die Mehrkanalvideoinstallation Von Pilzen und anderen Wolken. Durch Einscannen und teilweise extremes Vergrößern neu definierter Bildausschnitte werden die Rasterpunkte des Zeitungsdruckes hervorgehoben und die Unterschiede zwischen Explosions-, romantischen Schönwetterwolken, Reproduktionen von Gemälden, Atompilzen und anderen Wolkenarten verwischen. Die Wolken sind in verschiedene Kategorien sortiert und werden diaschauartig für jeweils zwei Sekunden gezeigt, bestimmte Bilder werden hervorgehoben und länger projeziert. Dadurch entstehen immer neue Konstellationen und Assoziationsräume. Es sind Abbilder von Ereignissen zu sehen, die jeder Betrachter sofort wieder erkennt, da sie in den Medien eine so große Beachtung gefunden haben, sowie solche, die nicht zuzuordnen sind. → Claudia Reiche // Zufällige, geordnete (+)(-)Wesenheiten Zur digitale Palttform von Claudia Reiche Annette Runte schreibt 1986 in Delta Tau Eins, Zeitschrift für Topologie und Strömungskunde: "… daß es in der 'menschlichen Welt' prinzipiell zwei verschiedene 'Zustände' (von Dingen, Sachverhalten, etc.) gibt: Anwesenheit (+) und Abwesenheit (-). Ihre Opposition ist unabdingbar für den Signifikantenprozeß (...). In der Darstellung von 'Zufallsfolgen' von (+)- und (-)-Zeichen wird die Realität also gleichzeitig als streng determiniert (...) und zufällig (...) betrachtet." (Artikel: Die Isomorphie zwischen L-Kette und borromäischem Knoten) Wie lässt sich der ontologische und strukturelle Binarismus in Verbindung mit Zufall darstellen und zugleich erforschen? Dies soll mit dem gesprochenen Wort probiert werden ebenso wie mit Reismehl, das Muster auf dem Boden bildet. Durchgespielt wird das Herstellen präziser Abwesenheiten, wie sie Ethnologie und Psychoanalyse mathematisch formuliert haben. → Elianna Renner // 27.02. Marktplatz Aktion Zum Audiobeitrag: Afterrefelction (Elianna Renner, Claudia Piepenbrock, Lulu Mendelova, Katharina Kreutzkamp) Die Aktion "27.02. Marktplatz" steht im Zusammenhang mit dem Langzeitprojekt der Künstlerin Elianna Renner „Tracking the Traffic“, dass in Zusammenarbeit mit Claudia Piepenbrock, Katharina Kreutzkamp entstanden ist. Dabei handelt es sich um ein kooperatives Projekt, das sich mit der Geschichte des Frauenhandels als Teil der Migrationsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert beschäftigt. Seit den 1860er Jahren bis in die Zwischenkriegszeit wurden Frauen aus Osteuropa – viele davon aus jüdischen Familien – Opfer international organisierter Schlepperbanden, deren Netzwerke sich über mehrere Kontinente hinweg erstreckten. Im selben Zeitraum entstanden zunehmend Zusammenschlüsse zwischen jüdisch-europäischen und nichtjüdischen Frauenbewegungen, mit dem Ziel, den internationalen Frauenhandel zu bekämpfen. Das Hauptinteresse des Projekts besteht darin, diese Geschichte unter Verwendung verschiedener Medien zu erforschen und an Orten, wie dem Bremer Marktplatz, zu rekonstruieren. "27.02. Marktplatz" entstand in einem Workshop der Hochschule für Künste und wurde in Zusammenarbeit mit Claudia Piepenbrock, Katharina Kreutzkamp und Lulu Mendelova (HFK Bremen) entwickelt und realisiert. 27.02.2015 / 19:30 Uhr Marktplatz Bremen → Andrea Sick // Lose Spekulationen und 3 Versuche Ordnung zu schaffen. Zum Audiobeitrag von Andrea Sick Das Risiko ist gering. Erlaubt die Spekulation „im großen Draußen“(1) doch alles. Jenseits von Ordnung und Struktur, jenseits der Historie, jenseits von gesellschaftlichen Bedingungen wird spekuliert: in der Finanzwirtschaft, in der Kunst, in der Philosophie. Doch, so will ich behaupten, setzen die Erzählungen dieser 3 exempla- rischen Spekulationsformen auf das Scheitern des Spekulativen. Folglich wiederholt der Beitrag im Erzählen selbst Ordnungen und Zähmungen, die das anvisierte "große Draußen" einkesseln und Übereinkünfte vorstellbar machen. Ordnung wäre geschafft.
(1) Quentin Meillassoux → Olga Sitner & Justyna Giermakowska // Fehler im Paradies Triptychon Zur digitale Plattform von Olga Sitner & Justyna Giermakowska Kurz nachdem wir 3 Fotos zur Herstellung eines Puzzles online in Auftrag gegeben hatten, bekamen wir eine Nachricht mit dem Hinweis auf den Erhalt fehlerhafter Dateien, aufgrund dessen der Auftrag nicht bearbeitet werden könne und somit storniert wurde. Alle in Auftrag gegebenen Fotos waren von uns richtig konzipiert. In der Arbeit zeigen wir nur die Fotografien, die von den Mitarbeitern des Foto-Paradies-Service als zweifelhafte Dateien interpretiert wurden. → Noah Sow // Readymade Spirituality Remix – The Mysterious™ Strikes Back Sculpture, Installation, assemblage, light, audio, video, web Zur digitale Palttforn von Noah Sow
Weiterleitung zu Soundcloud Readymade Spirituality Remix (The Mysterious™ Strikes Back) ist der Selbstbedienungsladen, in dem der globale nordwesten sich nach Belieben die Spiritualität der übrigen Welt aneignet, verwässert, verzerrt und überschreibt. Eat, pray, Rucksack. Die gewaltvolle Konstruktion des “anderen”, “dunklen”, “primitiven” bleibt konstitutiv für die eigene kulturelle Verortung, wohnt in Popmusiktexten und Science Fiction Filmen. Auf dem Altar wird neu verhandelt. Dem ALIEN tut der Arm weh. Sunflower ist jetzt Prinzessin. Das jesusähnliche Toastbrot von Ebay wurde vertauscht. Der gregorianische Chor singt Unilever. Noah Sow, 2014 Noah Sow Entblößte Formatradioshow. Erzittert. → Kathrin Sohn //
Daniela Wüstenberg
arrange - destroy - repeat: María Teresa Hincapiés performance "Una Cosa Es Una Cosa" Zur digitale Plattform von Daniela Wüstenberg Zum Audiobeitrag von Daniela Wüstemberg Maria Teresa Hincapié war bis zu ihrem Tod im Jahre 2008 eine der bekannstesten Performancekünstlerin Kolumbiens und ist es bis heute. In ihrer bekannteste Arbeit "Una Cosa Es Una Cosa" (1990), mit dem sie die Goldmedaille des 33. Nationalen Kunstsalons gewann, ordnete sie alle ihre persönlichen Besitztümer (Kleidung, Geschirr, Nahrungsmittel usw.) in einer Langzeit-Performance, jeweils 8 Stunden am Tag, 30 Tage lang. Die Künstlerin interessierte die Frage: Was gehört zusammen, was nicht? Unter welcher Anordnung enstehen neue Inhalte, Zusammenhänge, Verbindungen? Gibt es eine Bedeutung oder ist alles nur reiner Zufall? Mit jedem neuen Anordnen der Alltagsgegenstände überschrieb die Künstlerin die vorherige Bedeutung und wies so schließlich auf einen größeren Zusammenhang hin: die Wiederholung als eigentliche Ordnung - Wiederholung als eine Möglichkeit Neues zu erschaffen. Ihre Arbeit warf Fragen auf wie: Was ist wirklich wertvoll in unserem Leben? Wie wollen wir leben? Welchen Ordnungen folgen wir, welche gilt es zu verweigern? María Teresa Hincapié verstand ihre Arbeit als den Anfangspunkt für eine kollektive Genesung von einer Gesellschaft, die Profitstreben und Konsum in den Vordergrund stellt. Sie stellte eine Gesellschaftsordnung in Frage, die Hierarchien zwischen Reich und Arm, zwischen den Geschlechtern, sowie zwischen den Hautfarben und verschiedenen Arbeitsbereichen benötigt, um Gewalt und Krieg zu reproduzieren. Der Radiobeitrag von Daniela Wüstenberg beschäftigt sich mit der Frage ob und wie das wiederholte Ordnen von Alltagsgegenständen in einer Performance der kolumbianischen Künstlerin María Teresa Hincapié die festgelegten Struktur der Gesellschaft in Frage stellen kann. → TEILNEHMENDE |