Claudia Reiche in Zusammenarbeit mit dem kino46

   

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Filmprogramm

 
 
       
 

Serial/Gender Killer

   

Das Thema Serienmord ist filmisch schon viel traktiert worden. Seien es die psychologischen Hintergründe, das (gesellschafts)kritische Potential oder die Faszination am Bösen – mit diesen Fragen wurde häufig der Schlüssel zum ungeheuerlichen Rätsel der Serienkiller gesucht, jedoch seltener wurde nach dem Seriellen als Strukturprinzip selbst gefragt. Das Filmprogramm versucht nun einmal diese Perspektive zu verfolgen, und zwar indem das Serielle in eine Relation zur sexuellen Ordnung gebracht wird. Folgende Gliederung gibt einen Hinweis, wie das Genre in Verhältnis zum Gender gesehen werden könnte. Filmische Meisterwerke, die Murder Masterpieces inszenieren ('Henry', 'Se7en', 'Copycat') werden Antiästhetiken gegenübergestellt, die Unkonventional Female Killing zeigen ('Andy Warhol's Bad'). Eine weitere Abweichung vom klassischen Spielfilm findet sich im Queer Trespassing ('Rote Ohren fetzen durch Asche'). Wie situieren sich im Feld dieser Einteilungen nun genderspezifische Konstellationen?
Eine Querverbindung, die die Filmauswahl dieser kleinen Reihe vorschlägt, ist diejenige zwischen meisterhafter Beherrschung der filmischen Form (nach Hollywoodstandards) am Beispiel der Inszenierung ebenso 'meisterhafter' Morde. Diese werden von genialisch, dämonisch, pathologisch gekennzeichneten, durchgängig männlichen 'Mord-Künstlern' begangen. Die Serie der Opfer ist bis auf seltene Ausnahmen weiblich bestimmt. Wie hier das herrschende patriarchal determinierte Geschlechterverhältnis übersetzt würde (sei es in kritischer, erotisch affirmativer oder analytischer Weise), ist die Frage. Auch: Wie ist mit dem Eindruck umzugehen, daß eine Affinität zwischen dem Thema 'serieller Frauenmord' und dem formalen Reichtum der Gestaltungen im Hollywoodkino zu bestehen scheint? Immerhin eröffnet solche Perspektive einen schrägen Blick auf diese hochkulturellen mainstream-Filme: sie werden zum Einzelfall in einer Vielzahl der erotisch-ästhetischen Behandlungen des Serienmord-Themas im Film. Diese Perspektive ermöglicht sich konkret durch den direkten Vergleich mit Filmen, die die oft unmerklich durchgehaltenen Normen in den Murder Masterpieces an bestimmten Punkten überschreiten. In ironischer oder satirischer Weise tun dies Filme, die mit Unkonventional Female Killing bereits thesenhaft überschrieben sind, wobei "female" als Subject der Handlung verstanden wird. 'Andy Warhol's Bad' (oder zum Beispiel auch 'Serial Mom', US 1994 R. John Waters) zeigen eine komische Verletzung der Weiblichkeitsnorm: durch einen simplen Ausfall von Schuldgefühlen, ein Nichtannehmen, ja eine Ignoranz der erwarteten Opferrolle gegenüber. Im interessanten Ungleichgewicht steht dieser Eingriff in das Weiblichkeitsklischee mit ansonsten weitgehend durchgehaltenen Spielfilmformen. Die Bezeichnung Queer Trespassing meint demgegenüber Filme, bei denen sowohl in der Anlage der Figuren als auch in der formalen Gestaltung 'ungeschriebene' Gesetze nicht nur verletzt, sondern geradewegs verlassen werden. Nicht zufällig als herausragendster Film des 'New Lesbian Cinema' bezeichnet, hat hier 'Rote Ohren fetzen durch Asche' gewiß einen besonderen Status, was die kämpferische Bereitschaft zum filmischen Experiment anbelangt. "In Flaming Ears the future is lesbian", schrieb Judith Halberstam 1992. Daß das Genre "Serienmord" sich hier kaum wiedererkennbar formuliert (ebensowenig wie bekannte Gender-Formierungen) ist womöglich kein Zufall. Ob wir schon in dieser Zukunft angekommen sein werden, entscheidet gewiß jede und jeder selbst (im Kino und anderswo); – in jedem Falle möchte die Reihe Serial/Gender Killer zu einem schnelleren Erreichen solcher Zukunft beitragen.

 

Murder Masterpieces

Henry, Portrait of a Serial Killer

 

US 1990, R. John McNaughton

 

Se7en

 

US 1995, R. David Fincher

 

Copycat

 

US 1995, R. Jon Amiel

 

Unconventional Female Killing

Andy Warhol’s Bad

 

US 1971, R. Jed Johnson

 

Queer Trespassing

Rote Ohren fetzen durch Asche

 

Austrian 1991, R. Angela Hans Scheirl, Dietmar Schipek, Ursula Pürrer