Aus dem Reader zu dem Film
 
A L R A U N E

 

...über den Film

Sieht man von Ewers ab, dessen Vaterschaft ja wohl durch die Ähnlichkeit mit der Tochter hinreichend legitimiert ist, so scheint die Herkunft der Alraune reichlich mysteriös. Denn wir ließen uns zwar gern einreden, daß zu Füßen gehängter Verbrecher geheimnisvolle Wurzeln gedeihen, die vom Schönheitsideal der Mohrrübe aus betrachtet Mißgeburten sind, deswegen oder trotzdem aber einem menschlichen Weibe ähneln. Und entstände aus einer solchen Rübe durch geschickte Überblendung eine dämonische Frau, so würden wir sie als eine Märchenfrucht vom üppig gedeckten Tricktisch der Natur dankbar und ohne Skepsis empfangen. Leider aber mischt sich zwecks Erzeugung der Alraune die Wissenschaft in die wunderträchtige Vollmondstimmung, und da heißt es, exaktere Maßstäbe anlegen.

Standfoto Alraune
Man kommt aus der Verwunderung nicht heraus: Weshalb erblüht, nachdem der Professor mit Hilfe eines frischgeschlachteten Raubmörders eine zu wissenschaftlichen Zw ecken herbeigeeilte Prostituierte experimentell befruchtet hat, in dem also um seine Lust betrogenen Dirnenschoße ein gertenschlanker Dämon Weib von männermordender Schönheit, wo doch - wenn die Kreuzung schon gräßlich ausgehen soll - ein syphilitischer Kümmerling zu erwarten wäre? Was hat das Züchtungs-Experiment zu tun mit den Alraunenwurzeln, die doch offenbar nicht unter dem Einfluß von magisch herabträufelnden Drüsensekreten unterm Galgen entstehen, sondern durch höhere Gewalt? Und vor allem, warum beschäftigt sich dieser Professor mit der experimentellen Herstellung von Kindern unter Ausschaltung der "sogenannten Liebe", wo es doch im Gegenteil volkswirtschaftlich sehr viel dringender wäre, die Beibehaltung der sogenannten Liebe unter Ausschaltung von Kindern auszuprobieren? Solchen kritischen Einwänden wäre der Verfasser des Manuskripts, Henrik Galeen (denn nur er, nicht etwa der Ewers-Roman hat uns hier zu kümmern), entgangen, wenn er uns, ohne wissenschaftliches Gebaren, in purem Mondschein begegnet ware.

Einem verunglückten Ehebund von Laboratoriums-Erotik und Galgenstimmung also entspringt die schlangenglatte Brigitte Helm. Ihr Gesicht ist von Natur maskenstarr und das geometrisch exakte Ellipsoid ihrer Wangen scheint von einer Drehbank, nicht aus einem warmblütigen Mutterleibe zu stammen. Die flache Nase, die kalten Augen, der kleine, scharfe Mund und - es ist dieser nicht seltene Typ von Mädchengesichtern, der infolge eines gewissen Mangels an beweglicher Intelligenz und warmem Gefühl manchmal einen eigentümlich reizvollen Hauch von unorganischer, kristallischer Regelmäßigkeit hat, und so schwankt Brigitte Helms Leistung zwischen der famos gelungenen gespenstisch stilisierten Eiskälte des Alraunenwurzel-Wesens und der hausbackenen, schnippischen Dümmlichkeit einer Küchenmöhre. Die Mohrrübe wäre auszuroden, und es ließen sich dann geschlossene, höchst eindrucksvolle Filme mit Brigitte Helm herstellen (man sieht vor Augen, was die in Hollywood aus ihr machen würden!). Zumal ihr Körper ihr eigentliches Gesicht ist und ein so zwingendes Mienenspiel hat, daß man ihr am besten - und nicht ungern - auf den Leib sieht, um sie zu verstehen. Sie ist schlenkrig und schmiegsam in den Gelenken, der Rumpf ist in die Arme und Beine mit kleinster Reibung wie ein Pendel eingehängt. und so genügt ein schwacher Anstoß, um das ganze Präzisionswerkchen in lebhafte Schwingung zu versetzen. Schade, daß der Regisseur es sich entgehen ließ, der ganzen Rolle die konzentrierte Bildkraft zu verleihen, die hier nur in einigen, durch viel mittelmäßiges Drumherum abgeschwächten, Szenen erreicht worden ist. Hätte er die Alraune nur kräftig bei der Wurzel gepackt, mit Brigitte Helm wären wir schon zu bezaubern gewesen!

Rudolf Arnheim, Das Stachelschwein.
März 1928

 

Birgit Helm

...aus dem Roman

"Zu wilden Pranken wuchsen deiner rosigen Nägel süße Wunder, die Fanny manikürte, deine kleine Zofe. Zu mächtigen Hauern deiner blanken Zähne leuchtende Milchopale, zu einer Morddirne starrenden Zitzen deiner süßen Kinderbrüstchen schneeweiße Kätzlein. Wie feurige Vipern zischten deine Goldlocken und aus deinen Augen, sanften Steinaugen, die das Licht brechen wie meines stillen Goldbuddhas leuchtende Sternsaphire, rasten die Blitze die alle Wahnsinns-Fesseln in ihren Gluten schmelzen..."

Hanns Heinz Ewers: Alraune. Berlin 1911



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