Digital Eingetragenes Warenzeichen A zum Thema einer angeblichen gesellschaftlichen Veränderung durch technologisch erzeugte Bilder möchte ich kurz zwei wahre Geschichten vorstellen, die schon einiges von dem thematisieren, auf das ich nachher hinaus will:
B Zentralagent Entsprechend der Fragestellung des Laboratoriums möchte ich damit beschäftigen, was es für eine gesellschaftliche Analyse bedeuten kann, wenn der "Computer" darin zum "Zentralagenten" wird. Schon 1988 stellte der Soziologe Gerard Raulet in seinem Text ' Die neue Utopie - die soziologische und philosophische Bedeutung der neuen Kommunikationstechnologien' fest, die Technologien der Informationsübermittlung erzeugten eine "radikal neue Technokultur", sie bringe "schwebende Identitäten" mit sich und eine " Derealisierung... die jede Art von Ideologiekritik sinnlos zu machen scheine." Die Technik selbst würde an die Stelle der Ideologie treten. Da jede Darstellung auf dem Computer auf das bit als kleinste Darstellungseinheit zurückgehe, seien die Nachrichten "derealisiert", d.h. aus ihrem lokalen, sozialen Zusammenhang herausgenommen und - er zitiert er Baudrillard - es komme zu einer "Ära der Simulacra", was den Verlust aller Bezugssysteme bedeute. Was auffällt ist, wo der Autor (und andere AutorInnen mit ihm) das Technologische verortet und nach seinen Auswirkungen sucht: nämlich dort, wo die Daten angeblich materielos durch den Telefondraht gehen oder dort wo Zahlen oder Bilder auf einem Computermonitor angeblich ohne jeden Realitätsbezug sichtbar werden. Das ist meiner Meinung nach schon ein sehr stark ideologisches Modell von Technologie, dass sich die Behauptungen der Techno-Industrie hinsichtlich eines materiefreien, sauberen Funktionierens zur Voraussetzung macht. Neben der Alltagsbeobachtung, dass Computergraphiken besonders dann als interessant gewertet werden, wenn sie möglichst photorealistische Darstellungen hervorbringen, lassen sich angesichts eines Computers ja durchaus weitere Referenzen aufmachen, die über ein Sichtbarmachen des Datendurchsatzes hinausgehen: z.B. auf die Ökonomie der Computerindustrie, auf die Rückenschmerzen beim Tippen, auf die Preise, die den Kauf eines Computers nicht für jede oder jeden möglich machen, darauf, wer eigentlich die meisten Tipparbeiten an einem solchen Computer erledigen wird, oder auf die giftigen Abbauprodukte, die bei seiner Verschrottung entstehen werden. C "Wir manipulieren Bildaussagen dank Photoshop..." Ich möchte eine Ausstellung, Versuchskaninchen - Bilder und
andere 'Manipulationen', des Zürcher Museums für Gestaltung als Beispiel dafür diskutieren, welche Probleme es mit sich bringt, die Erforschung und Anwendung der Kommunikations- und Biotechnologien als Paradigmenwechsel, also als Ursache eines umfassenden gesellschaftlichen Umbruchs, zu setzen.
Ich denke dass es für eine Politisierung des Umgangs mit Technologie neben einer Kritik der fortschreitenden industriellen Nutzung und des Profits der Mikroelektronik + Gentechnik notwendig ist, zu beobachten und daran zu arbeiten wie welches Wissen über Gentechnologie gesellschaftlich in Umlauf gebracht wird. Was ich an der Zürcher Ausstellung interessant finde, ist, dass sich ihre Argumentation und ihre Mittel meiner Meinung nach genau auf die gesellschaftlichen Voraussetzungen stützen und diese auch mitherstellen, die eine Durchsetzung der Gen- und Biotechnologien fördern und ermöglichen: das ist vor allem + ganz entscheidend eine Auslöschung der sozialen Faktoren und eine Auslöschung der Differenzen. Die Ausstellung treibt damit etwas voran, was sie den Technologien unterschiebt: nämlich ein Schwierigerwerden von Erkenntnis- und Kritikfähigkeit. Die Vorstellung, Technologie als ein Phänomen zu verstehen, das einen Umschlag in vielen oder sogar in allen Lebensbereichen herbeigeführt hat, haben wir in der informellen Gruppe, in der ich seit einigen Jahren zu diesem Thema arbeite, unter dem Stichwort 'Technikdeterminismus' diskutiert. Das heisst, die Technologien selbst werden zum Verursacher und damit
zum Subjekt gesellschaftlicher Veränderungen gemacht. Damit lassen
sich historische und soziale Gründe dafür, dass diese Technologien
überhaupt erfunden und eingesetzt wurden, nicht mehr benennen. Vor allem aber werden die Technologien und ihre Auswirkungen nach dieser Darstellung als
gesellschaftlicher Zustand gesetzt, nicht als eine umkämpfte Investition
- etwa auch eine Investition der Industrie - gegen die Widerstand noch
möglich ist. Die Vorstellung, Sehen würde sich dadurch verändern, dass eine gesicherte Verbindung zwischen Gegenstand und Repräsentation nicht mehr gegeben ist, stützt sich ausserdem auf eine moderne Vorstellung von Sehen als Erkenntnismöglichkeit: als hätte sich quasi vor der Zeitrechnung der Digitalisierung Erkenntnis umstandslos aus dem Sehen von Bildern ableiten lassen und jetzt sei diese direkte Weise der Wissensproduktion gestört oder unmöglich geworden. Ich habe diese Ausstellung auch deswegen als Beispiel ausgesucht, weil das MfG in Zürich einer der wenigen Orte ist, die sich mit der kulturellen Konstruktion von Themen wie 'Sicherheit', 'Universalismus/Globalität', oder Gentechnologie überhaupt beschäftigen. Die unterschiedlichen Ausstellungsexponate und der dazu veröffentlichte Text sind insgesamt sehr widersprüchlich. Ich werde mich daher vor allem auf Teile der Ausstellung und auf die Aussagen beziehen, die von den AustellungsmacherInnen als Kernthesen dargestellt wurden. Die Ausstellung 'Versuchskaninchen - Bilder und andere Manipulationen' fand im Febr./März letzten Jahres im Zürcher Museum für Gestaltung statt. Erika Keil und Werner Oeder haben sie kuratiert. Die Ausstellung wertet die Möglichkeit der Digitalisierung einerseits
als eine durchschlagende Veränderung hinsichtlich der Wahrnehmung
von Bildern; andererseits stellt sie aber auch eine historische Kontinuität
her (z.B. ältere Formen der Fälschung). "Ausstellung und Katalog", so heisst es in einem Begleittext, der in der Ausstellung auslag, "stellen die Frage nach der medialen Kompetenz von Bildern. Können sie ihre Aussage offenlegen, ihre Herkunft mitreflektieren oder gehört der Zweifel zum Konzept?"
Die Werbung der Weltwoche oder die Abbildungen der SAG sind in der Zürcher Ausstellung etwa auf das Format eines Relax-Werbeplakates hochkopiert
worden, so dass auch auf dieser Ebene eine Ähnlichkeit hergestellt
wird. Es ist z.B. nicht mehr zu erkennen, welchem Medium diese Abbildungen entnommen wurden.
Die Übertragungen der Funktionsweisen der Computertechnologie aber
auch der ästhetischen Vorstellungen eines Umgangs mit dem Produkt Computer sind ein gängiges Motiv in der Gentechnologie und in der Medizin. Technologie im Consumerbereich wird mit Geschwindigkeit, Genauigkeit und teilnahmsloser Schmerzfreiheit assoziiert, einer Vorstellungswelt, die auch für
die Gentechnologie in Anspruch genommen werden soll. Im Begleittext der Ausstellung werden Computer und Gentechnologie ebenfalls verglichen: anstatt dabei aber von Metaphern zu sprechen und die Bedeutung zu untersuchen, die durch eine solche Übertragung entsteht, wird behauptet, dass es sich um eine gleiche Methode handle: "Wir machen auch die Methoden, die für das eine gelten, für das andere tauglich. Wir scannen Bilder und wir scannen Körper. Wir manipulieren Bildaussagen dank Photoshop und manipulieren Lebensprozesse dank Gentechnologie." BesucherInnen können das in der Ausstellung auch selbst ausprobieren:
DIA 6 (Computer mit Köpfen)
mit dessen Hilfe BesucherInnen Veränderungen an Köpfen, z.B.
dem von Jelzin, selbst in Angriff nehmen können.
(Mir war zunächst nicht klar, warum in diesem Fall Köpfe verwandt wurden, für den Rest der Ausstellung aber Tiere das Beispiel sind: Bei einer Führung sagte Erika Keil, eine der AusstellungsmacherInnen,
der Grund dafür, in der Ausstellung wie auch im Katalog die
unterschiedlichsten, teilweise einander widersprechenden, oft sehr
unkritischen, theoretischen, politischen und künstlerischen
Argumentationen unkommentiert nebeneinander zustellen, sei, Didaktik
zu vermeiden, die auch durch die Vorgabe einer politischen Positionierung,
z.B. pro oder kontra Gentechnologie, entstehe. Sie bezieht sich damit auf einen Informationsbegriff, der die Möglichkeit einer neutralen, d.h. also politisch neutralen, Information vorsieht und darüber die Objektivität der Darstellung sicherstellen möchte. Ich möchte einige Überlegungen wiedergeben, wie die wahrnehmungstheoretische und gleichzeitig positivistische Herangehensweise der Ausstellung und ein solcher Informationsbegriff zusammenhängen. Der Zweifel an der medialen Kompetenz von Bildern, suggeriert meiner Meinung nach, es könnte überhaupt 'Information' geben, die ohne sozialen Kontext auskommt + die unabhängig von ihrem oder ihrer jeweiligen EmpfängerIn funktioniert. Ein oberflächlicher Blick in die Ausstellung genügt, um zu sehen, dass zwar Informationen gegeben, aber auch gleichzeitig Informationen vorenthalten werden: so erfahre ich nicht, ob die Werbekampagne den Umsatz der Zürich Versicherungen zu steigern vermochte, ich finde keine Theorie darüber vor, ob die Fliegen im Versuch von Walther Gehring mit den neuen Augen sehen können. Zu dem beschriebenen Präparat der Maus mit dem Ohr wird nicht etwa der Versuch geschildert und diskutiert, die entsprechenden Zellen zu transplantieren. Sondern es werden Informationen darüber gegeben, wie schwierig die Herstellung des Präparats und das Aufbringen des weissen Puders auf dieses Exponat waren. Eine Information darüber, ob diese Texte entweder von dem Präparator oder von den AusstellungsmacherInnen selbst ausgewählt und verfasst wurden, findet sich in der Ausstellung nicht. Ein weiteres Beispiel: Indem die 'Versuchskaninchen' - Ausstellung Materialien brainstormartig zusammenstellt und die allgemeine Frage nach den Möglichkeiten "unserer" Wahrnehmung von "Bildern" formuliert, entkontextualisiert sie meiner Meinung nach die gewählten Bilder und nimmt sie aus ihrem historischen und sozialen Zusammenhang heraus. Ich denke also, dass der Umgang der AustellungsmacherInnen mit dem gefundenen Material genau das hervorruft, was sie als Ergebnis eines Lebens in einem digitalen Zeitalter konstatieren. Indem sie weder deutlich machen, woher die Bilder und Texte stammen, die sie benutzen, noch ihre eigene Perspektive oder ihre Adressaten thematisieren, stellen sie zudem auch gleiche Darstellungs- und Wahrnehmungsmöglichkeiten für alle Subjekte in Aussicht. Der Umstand, dass die Zürich Versicherungen/ Relax ihre' Darstellung in der Ausstellung mit einer Ausstellungsförderung von 10.000 SFr unterstreichen konnte, macht sie jedoch meiner Meinung nach zu besonde-ren Subjekten. Die Vorstellung einer politisch neutralen Darstellung, die durch das unkommentierte Zusammenbringen verschiedener Positionen entsteht, suggeriert immer einen gesellschaftlichen 'Dialog'. Als seien die Gegenstände in Diskussion und es sei unklar und von ethischen Erwägungen abhängig, wie diese Diskussion ausgehe. Die Verteilung von Kapital z.B. wird dabei nicht berücksichtigt. Zudem macht es einen Unterschied, wer aus welcher Perspektive Gegenstände betrachtet: In der Textbeilage heisst es, "unser Gehirn" assoziiere "ein junges, treuherzig und unschuldig blickendes Kalb ungern mit Bratwurst." Wenn dieses Gehirn aber, denke ich, zu einer TierschützerIn gehört, könnte das die Weise sein, in der er oder sie Schlachttiere bevorzugt anguckt. Diskursanalytische Verfahren haben ja das Brecht-Zitat dahingehend
erweitert, dass es zwar nicht ausreicht, mit dem Foto einer Fabrik
etwas über 'die Fabrik' aussagen zu wollen, dass es aber durchaus nicht zufällig ist, wie das Gebäude einer Fabrik aussieht, wie die Arbeit dort dargestellt wird und welche Repräsentationen, Rhetoriken oder Argumentationsketten ökonomische Verhältnisse jeweils beschreiben oder unsichtbar machen. Die Vorstellung einer Trennung von Repräsentation und wahrem Kern - und das ist mein zentraler Einwand gegen die Ausstellung - verführt dazu, zu vergessen, dass auch die angenommene 'Wahrheit' eines Sachverhaltes Ergebnis einer machtpolitischen und interessengeleiteten Intervention ist. Und sie steht damit allen feministischen Versuchen entgegen, die Herstellung von Wissen unter Gesichtspunkten wie Geschlechtsspezifik, wissenschaftlicher Konkurrenz oder industriellen Interessen zu betrachten.
Dass die Mittel und Methoden der Ausstellung als 'neutral' betrachtet
werden, führt auch dazu, dass sie Rhetoriken reproduziert, wie
sie üblicherweise auch von der Gentechlobby benutzt werden. So ist
die Analogiebildung zum Computer in populären aber auch wissenschaftlichen
Darstellungen von Gentechnik ein oft gewähltes Mittel, das einerseits
deren Machbarkeit behauptet (so schreibt auch die beteiligte Künstlerin
Caroline Dlugos: "Die Gentechnologie ist inzwischen so weit, dass sie einen
Gentext entziffern und umschreiben kann.") und andererseits den entsprechenden wirtschaftlichen Erfolg auch für die Gentechnologie in Aussicht
stellt. Der Diskurs um Original und Fälschung/bzw. Original und Manipulation
geht davon aus, dass die fälschende Person ihre Manipulation buchstäblich 'in der Hand' hat, als wären ihr diese von ihr ausgelösten Handlungen vollständig präsent. Die Schlüsselfrage der Ausstellung nach der 'Sichtbarkeit'
wird durch die
Auswahl der Bilder mit einem Diskurs von 'Norm' und 'Abweichung' beantwortet: Unsichtbar ist ein Vorgang, wenn der Bildgegenstand 'normal' aussieht (wie die Lachse); sichtbar ist er, wenn eine 'Abweichung'
feststellbar ist wie bei einem Präparat einer Ziege mit zwei Köpfen.
Darin zeigt sich, wie leicht eine Darstellung - selbst wenn ihre Motive sozusagen 'politisch korrekt' sind - Komplizenschaft mit den öffentlich wirksamen Diskursen eingeht. Um ein konretes Ziel - die Abschaffung von AKWs - zu erreichen bedienten sich die AKW-GegnerInnen kultureller Machtstrategien, die Deutungen gegen andere Deutungen ins Spiel zu bringen versuchten. Ein gesellschaftlicher Erfolg dieser Strategien kann dann aber neue Machtverhältnisse herstellen (in diesem Fall gegenüber denjenigen, die als 'behindert' abgewertet werden). Es gibt also also nicht die einfache Deklarierung einer 'richtigen' oder 'falschen' Darstellung. Um die Dichotomie zwischen Objektivismus und Relativismus zu vermeiden, halten feministische WissenschaftskritikerInnen wie Donna Haraway oder Sandra Harding für die feministische Wissenschaft am Begriff wissenschaftlicher Objektivität fest. Sie bezeichnen die als universal kritisierte Objektivität der gesellschaftlich dominierenden Wissenschaft als 'schwache' und fordern demgegenüber eine 'strenge' Objektivität, die Wissen als - historisch und sozial - 'situiertes' produziert. Dieses Verständnis von Objektivität lässt die gebräuchliche Gegenüberstellung von Voreingenommenheit auf der einen und Objektivität auf der anderen Seite nicht zu, weil gerade aufgrund der Voreingenommenheit und ihrer Deklarierung Objektivität entsteht. So ist der Konflikt der AKW-KritikerInnen mit der Behinderten - oder Krüppelbewegung nur über die verschiedenen Darstellungsinteressen zu verstehen. Eine sinnvolle Auseinandersetzung kann nur dann geführt werden, wenn die jeweilige unterschiedliche politische Perspektive, die zu diesen Darstellungen geführt hat, als solche deutlich gemacht wird. Der die Ausstellung begleitende Text kommt zu der emphatischen Aussage: Renate Lorenz |
ABWERTEN (bio)technologischer Annahmen
Flyer GAME GIRRRL, Zürich + München 1994
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