HAND
Medium¬Körper¬Technik

Laboratorium vom Frauenkulturhaus Thealit Bremen 2000/2001

Claudia Reiche
p/hand/tom. Abgetrennte und angelegte Hände
in neuer filmhistorischer Sichtung

Das Motiv der vom Körper abgetrennten und autonom agierenden Hand hat Filmgeschichte gemacht: genrespezifisch als 'Unheimliches' im Horror-Film. Noch anhand literarischer Beispiele und psychoanalytischer Erfahrung äußerte sich allerdings Sigmund Freud 1919 im Aufsatz zum 'Unheimlichen':
"Abgetrennte Glieder, ein abgehauener Kopf, eine vom Arm gelöste Hand, (...) Füße, die für sich alleine tanzen (...) haben etwas ungemein Unheimliches an sich, besonders wenn ihnen ... noch eine selbständige Tätigkeit zugestanden wird. (...) Es kommt oft vor, daß neurotische Männer erklären, das weibliche Genitale sei ihnen etwas Unheimliches."
In welcher Weise dieser einflußreiche von Freud isolierte Motivkomplex im Film historisch aufgenommen und bearbeitet wurde, zeigt sich in signifikanten Unterschieden. Exemplarisch nebeneinandergestellt werden drei US-Spielfilme: der subtile "The Beast with Five Fingers" (US 1946, Regie Robert Florey), der pathetisch flache "Die Hand" (US 1981, Regie Oliver Stone) und der unfreiwillig komische, danebengeratene: "Das Gift der Hölle" (US 1989, Regie Fred Goodwin). Es lassen sich spezifische Konstellationen des 'Freudschen' Kastrationskomplexes ablesen, korrelierbar zu der jeweiligen Konstitution der Subjekte und Geschlechterverhältnisse in der filmischen Darstellung. Als weitere Bezugsgröße soll die in den Filmen referierte und präsentierte Technologie herangezogen werden: die Technik des Tonfilms ("The Beast with 5 Fingers"), Steuerungs- und Meßtechnik in elektronischer und elektromagnetischer Koppelung ("Die Hand"), schließlich atomare Waffen und Gentechnologie ("Das Gift der Hölle").

Vortrag mit Videobeispielen
Freitag 17.11.2000 19:00 Kino 46



Ulrike Vedder
Mit zitternder Hand - Liebesgesten, Liebesbriefe

"Sehen Sie mich, Vicomte, wie ich im leichten Nachtkleide mit schüchternerm, behutsamem Schritt und mit zitternder Hand meinem Überwinder die Tür öffne?" (Les liaisons dangereuses)
Die zitternde Hand hat im gestischen Repertoire weiblicher Liebesbeweise ihren festen Platz, ebenso wie der zarte Händedruck. Deshalb gehört beides ja auch zwingend ins Register weiblicher Schauspielkunst: "Sehen Sie mich?" Ein Brief in zitternder Handschrift wird von der Spurensicherung des Liebesdiskurses als Zeichen erregender Herzenswahrheit gelesen - jedenfalls innerhalb eines Indizienparadigmas, das die Medialität von Briefen ignoriert.

Sa 18.11.2000 11:00



Julika Funk
Tote Heringe und Haifischzähne: Geheimschrift Handschrift

'Mit der Hand Schreiben' ist eine Kulturtechnik, die sich mit den Medienumbrüchen von Buchdruck, Schreibmaschine und Computer radikal verändert, aber dennoch immer einen eigenen kulturellen Ort besetzt hat. In Absetzung von technischer Reproduktion von Schrift mutierte die Handschrift zum Medium im privaten Raum, zum 'ureigensten Ausdruck' individueller Persönlichkeit. An diese Mutationen knüpft die eigenartige Lektürepraxis der Graphologie im 20. Jahrhundert an, die Thema meines Beitrags sein soll. Die Graphologie interessiert nicht sprachlich transportierter Inhalt von Texten, sondern die Hand-Schrift als abstraktes Zeichengebilde, als graphisches System, das auf andere Weise spricht. Als Technik des Schreibens gilt die Handschrift als weitgehend automatisiert, aber psychomotorisch beeinflußt, so daß sie in unverfälschter Weise den Charakter, das (verborgene) Psychoprofil und andere Daten über die Person wie Alter und Geschlecht wiedergeben kann - eine Geheimschrift des Menschen. Blieb die Graphologie in den Praktiken der psychologischen Diagnostik und der juristischen Urteilsfindung nicht ohne Auswirkungen, konnte sie sich doch nicht als seriöse Wissenschaft etablieren und zeigte sich vor allem als eine Paratheorie, in der unter anderem Psychopathologie und Sexualitätstheorien eine prominente Rolle spielten. Der Beitrag will diesen paratheoretischen Diskurs der Graphologie auf die Herstellung eines geschlechtlich durchtränkten und sexualisierten Bildes vom Menschen als Schrift-Körper hin befragen.

Sa 18.11.2000 11:45



Kerstin Brandes
Den Finger am Abzug – Fotografie, Subjektivität, Entstellung

In einem Werbetext von 1976 heißt es: "Schwer zu sagen, wo Sie aufhören und die Kamera beginnt. Eine Minolta 35 mm SLR ermöglicht es Ihnen, die Welt ringsum fast mühelos einzufangen. Oder Ihrer Innenwelt Ausdruck zu verleihen. Sie läßt sich bequem halten, und Ihre Finger finden sich ganz von selbst zurecht. Alles funktioniert so selbstverständlich, daß die Kamera Teil Ihrer selbst wird. Sie brauchen den Sucher nie vom Auge zu nehmen, um die Einstellung zu ändern. Daher können Sie sich ganz auf die Gestaltung des Bildes konzentrieren ... Und mit einer Minolta können Sie die Reichweite Ihrer Phantasie erproben. […] Minolta. Dann sind Sie die Kamera, und die Kamera ist Sie.”
Die Ergebnisse 'kodakomanischen' Aktionismus’, wie sie sich vor allem in den privaten Fotoalben und Diasammlungen finden lassen, werfen jedoch eher die Frage nach den Strukturierungen solch 'individueller' Kreativität auf. Die Synergie von Auge und Hand, die 'Verschmelzung' mit dem Apparat steht immer schon im Zeichen der Jagd nach einem vorweggenommenen Bild, das in dem scheinbar erlösenden 'Klick' der Kamera blind angeeignet wird. Doch der Finger am Auslöser der Kamera erweist sich als Finger am Abzug einer Waffe, die das Bild zukünftiger Erinnerung nicht getroffen hat.
Der Vortrag geht der Frage nach, wie sich Beziehungen zwischen Zeit, Bild und Subjektivität im fotografischen Akt konfigurieren.

Sa 18.11.2000 13:45



Elisabeth Strowick
Geschwätzige Fingerspitzen. Rhetorische Gesten des Geschlechts

Die Hand ist rhetorisch wie psychoanalytisch nicht unbeachtet geblieben. Die klassische Rhetorik widmet sich der Hand insbesondere im fünften Teil der Redelehre, der Actio. Die Ausführlichkeit, mit der die Hand dabei bedacht wird, ist allerdings unterschiedlich: Während Quintilian in seiner "Ausbildung des Redners" den Händen zahlreiche Abschnitte widmet, die neben detailliertesten Beschreibungen von Redegebärden die Hände als Sprach-, ja Universalsprachorgan kennzeichnen, finden sie sich bei Cicero von der für den Vortrag geforderten "männliche[n] Körperhaltung" in den Hintergrund gedrängt: "Kein Geplapper der Finger, keine Fingerspitzen, die den Rhythmus schlagen, eher soll der Redner mit dem ganzen Rumpf sich seinen Rhythmus geben und mit der männlichen Neigung der Seiten". Aber das "Geplapper der Finger", was da zusammen mit dem weiblichen Körper von Cicero von der politischen Bühne der Rhetorik verbannt wird, kehrt auf einem anderen Schauplatz wieder. Angesichts des "Privattheaters" der Hysterie schreibt Freud: "Wer Augen hat zu sehen und Ohren zu hören, überzeugt sich, daß die Sterblichen kein Geheimnis verbergen können. Wessen Lippen schweigen, der schwätzt mit den Fingerspitzen". Indem die Psychoanalyse dem Schwätzen der Fingerspitzen - insbesondere dem der (diskursiv weiblichen) hysterischen Körper - lauscht, verschafft sie der Hand einen erneuten Auftritt. Der Vortrag geht unterschiedlichen Konzeptionen geschlechtlicher Körper nach, wie sie in der Handhabung der Hände in der Actio und in der 'Privatrhetorik' der Hysterie zum Zuge kommen. Inwiefern handelt es sich bei den "geschwätzigen Fingerspitzen" um rhetorische Gesten des Geschlechts?

Sa 18.11.2000 14:30



Renate Fischer, Anne Bauermann, Cathrin Jürgensen
Hand - Arbeit. Kommunikation in Deutscher Gebärdensprache

Mit den Händen lassen sich "Worte" formen.
In diesem Sinn sind Hände und ihre "Hand - Arbeit" ein wesentlicher Bestandteil der Kommunikation in Deutscher Gebärdensprache.
Sie, die Teilnehmerinnen des Hand-Symposiums, möchten wir mit unserem Vortrag mit praktischen Übungen und auf der Basis aktueller Forschungsergebnisse in die Welt der Handformen einführen. Diese sind ein wichtiges Strukturelement in den Gebärdensprachen Gehörloser.
Wir geben Ihnen eine Vorstellung davon, wie und was Gehörlose und Hörende mit ihren Händen ausdrücken können.

Sa 18.11.2000 15:30



Claudia Reiche
Die avatarische Hand

Ich greife, also bin ich: in der Repräsentation, müßte man spätestens seit der Einführung der Computermaus und allerspätestens seit der Möglichkeit telepräsentischer Verfahren sagen. Welch monströse neue Haut wird die Leinwände und Bildschirme ebenso wie die ganze Dingwelt überzogen haben, als schlecht sitzendes, leicht verrutschtes Doppel: eine neuartige Simulation ...
Haptische und visuelle Repräsentationen, die auch Fernmanipulationen ermöglichen können, schaffen einen virtuell allgegenwärtigen Simulationsraum interaktiver Beeinflussung noch des letzten vergessenen Winkels. Wie hat die Handhabung von Joystick und Tele-Manipulator die Täuschung über Fülle, Dichte und Gegenwart einer Repräsentation verschoben?

Sa 18.11.2000 16:30



Jutta Weber
Selbstorganisation als "invisible hand":
Artificial Life und die wunderbare Ordnung einer undurchschaubaren Welt


Artificial Life ist eine sehr junge Technowissenschaft, die einen sehr alten Traum träumt: den der Herstellung künstlichen Lebens. Auf Siliziumbasis soll Leben inkarniert, in Computerprogrammen und Robotern verkörpert werden. Grundlage für diesen Traum in seiner heutigen Form sind neuere Theorien wie Systemtheorie, Informationstheorie und Autopoiesistheorie, die nicht nur in der "Cyberscience" von Bedeutung sind, sondern auch in den neueren Biowissenschaften. Durch die informationstheoretische Ausrichtung beider Forschungsrichtungen scheint die Übertragung des Bio-Logischen auf Computerchips, Software und elektronische Netzwerke in zunehmende Nähe zu rücken. In meinem Vortrag werde ich einige der Übersetzungspraktiken, Prämissen und Rhetoriken dieser Life Sciences aufgreifen. Neben einer kurzen Skizze der theoretischen Grundlage und Forschungszielle der Artificial Life Forschung als auch der informationstheoretischen Grundlagen von cyberscience und neueren Biowissenschaften möchte ich vor allem auf das Theorem von der Ordnungsfunktion und Selbstorganisation der Materie bzw. des Lebens eingehen. Sie bildet die Grundlage für die Annahme, daß die unglaublich komplexen und undurchschaubaren Prozesse in lebendigen wie mechanischen Systemen, in Organismen wie riesigen Parallelrechnern sozusagen von einer invisible hand (Adam Smith) in regelmäßige und sinnvolle Mustern geordnet wird. Eine zentrifugale Kraft in der Natur stellt unauffällig Ordnung her in dieser chaotischen, unüberschaubaren Welt und leitet sie zu noch zu höheren, komplexeren Manifestationen. An dieser Bewegung möchte Artificial Life teilhaben bzw. sie über eine digitale Auto-Evolution ein wenig beschleunigen...

Sa 18.11.2000 17:15

Barbara Becker
Virtuelle Identitäten: Fiktionale Selbstinszenierungen
jenseits der Widerständigkeit des eigenen Körpers
Der Vortrag von Barbara Becker muß leider ausfallen und wird in der Veröffentlichung nächstes Jahr nachzulesen sein



Helene von Oldenburg
Warum haben Aliens keine 5 Finger?

Schon die Affenhand besitzt 5 Finger. Aber erst ein Daumen macht die Entwicklung zum Menschen möglich. Von den außerirdischen Besuchern unserer Welt wird berichtet, sie hätten nur 4 Finger an jeder Hand. Und heutige robotische Greifhände kommen mit nur 3 Fingern aus.
Ist die 5-Fingrigkeit ein von der technologischen und biologischen Entwicklung überholtes Modell? Handelt es sich bei der Vierfingrigkeit der Aliens um die nächste Entwicklungsstufe des Menschen zum Cyborg?

So 19.11.2000 10:00



Marion Herz
The Sticky Fingers of Sex - fünf Finger im Geschlecht

Die behandschuhte Hand ist das Zeichen für lesbischen Safer Sex. Latex signifiziert Sex und somit nicht nur, daß tatsächlich Sex stattfindet, sondern auch, daß die Hand ein sexuelles Organ ist. Die Hand als Sexualorgan jedoch bringt die zweigeschlechtliche Ordnung ins Wanken, so daß sich das Konzept Lesbianismus von seinem weiblichen Referenzkörper löst. Das Handgeschlecht übersteigt die Ordnung der Zwei und generiert stattdessen Geschlechtervielfalt. Diese These soll durch das Zusammenlesen des Films "The Sticky Fingers of Time" (Hilary Brougher, USA 1998) und lesbischer Safer Sex-Pornographien elaboriert werden.

So 19.11.2000 10:45



Wiebke Johannsen
Die Handleserin Charlotte Wolff
und Anmerkungen zur Chiromantie

"Mithilfe einer sehr einfachen Methode Handabdrücke herzustellen, habe ich ein beachtliches Material gesammelt. Ich benutze folgende Technik: eine geringe Menge Vaseline oder Hautcreme wird über Handfläche und Finger gestrichen. Dann drückt man die fettige Hand auf ein Stück dünnes, weiches Papier, das auf einem Gummipolster liegt. ... Auf diese Weise entsteht ein sogenannter Fettabdruck. Um das Linienmuster sichtbar zu machen, muss aber ein schwarzes Puder (Kupferoxyd) auf das Papier geschüttet werden. So entsteht eine Wiedergabe der Handlinien, die noch fixiert werden muss - ähnlich einer Kohlezeichnung - um einen mehr oder weniger unauslöschbaren Abdruck zu erhalten."
Wir befinden uns nicht auf dem Jahrmarkt, blicken keiner goldzähnigen Zigeunerin ins Gesicht, die nach unserer Rechten gegriffen hat, um uns weiszusagen; wir haben keinen Anspruch auf Schicksal. Wir befinden uns auf dem Gebiete der seriösen Handliniendeutung, welche "ebenso Kunst wie Wissenschaft" ist, wie Charlotte Wolff in "Die Hand als Spiegel der Seele" schreibt. Eine verlässliche Methode zur Prüfung von Temperament und Charakter sei das Handlinienlesen, das ebenso der Wissenschaft dient wie praktischerweise der - das klingt etwas angestaubt - Menschenkenntnis. Mich interessiert die Frau, der wir unsere Hand zum Abdruck geben. Ein Leben im "Dazwischen", zwischen den vorgesetzten Linien: Ärztin, Psychiaterin, Pionierin der Sexualforschung, Schriftstellerin, Chiromantin (Handleserin), Jüdin, Preussin, Emigrantin, Lesbe. Ich suche nach ihren Lebenslinien, ihren Beweggründen und Bewegungen, und fern am Horizont scheint eine Linie zwischen Wissen, Hand und Liebe zu liegen.

So 19.11.2000 11:45



Sigrid Nieberle
One-hand-model/two-hand-model:
Zur Re-Lektüre des biologischen Geschlechts

Thomas Laqueur rekonstruierte für das 18. Jahrhundert die Entwicklung vom one-sex-model zum two-sex-model. Unabdingbar mit der Geschlechterdebatte ist jedoch die Handdebatte verbunden: "Die Streithand aber war die Rechte." Können ein- und zweihändige Geschlechtermodelle das Laqueur'sche Modell unterlaufen? Welche Implikationen haben juristische, sexuelle, musikalische, literarische und kunsthandwerkliche Zuschreibungen manueller Praktiken für das 'biologische' Geschlecht, das vom gender nicht mehr zu trennen ist? Ein Durchgang durch einschlägige Texte (zur Ehre, zur Onanie, zur Klavierschule, zum Drama) wird schließlich auch den Anschluß an die Emanzipation des Zehnfingersystems in der medialen Moderne suchen.

So 19.11.2000 12:30



Ingrid Rügge
Freihändig oder handgesteuert? Aktuelle Trends
in der Gestaltung der Mensch-Computer-Interaktion

Auf der technologischen Seite des Wegs in die Informationsgesellschaft ist die Gestaltung der Interaktion zwischen Mensch und Computer - die Entwicklung von Interfaces - ein Thema der Informatik. Der Begriff Interface - Schnittstelle - meint hier die Berührungsfläche zwischen handelndem Menschen und (re)agierender Maschine.
Die bekannteste Realisierung einer Schnittstelle ist der PC mit Maus, Tastatur, Bildschirm, gestaltet nach der Desktopmetapher. Es gibt jedoch eine Vielzahl von Situationen, in denen das Leitbild "Schreibtisch" ungeeignet ist, z.B. in Produktion, Medizin, Kunst, im häuslichen Leben und in hochgradig kommunikativen oder mobilen, räumlich weitläufigen Anwendungen. Darüber hinaus werden die rechnerinternen Modelle immer komplexer, so daß eine nur visuell unterstützte Interaktion nicht ausreicht, um ein angemessenes mentales Modell hervorzurufen.
Eine Lösung ist das Wearable Computing: Die Benutzung von am Körper getragenen Hochleistungsrechnern, per Spracheingabe gesteuert, drahtlos in ein Netzwerk integriert, das Display am Kopf, die Hände frei. Eine andere sind multimodale Schnittstellen, die einen besonderen Augenmerk auf die Bedeutung der Hände und des Greifens für das Begreifen legen: Die physischen Dinge (handles) oder die Hand selbst werden "beobachtet" (= sensorisiert), die so erfaßten Daten erzeugen, manipulieren, steuern ein virtuelles Modell.

So 19.11.2000 14:45



Andrea Sick
Orientieren von Hand

Daß das Zeigen in der räumlichen Orientierung und Navigation durch verschiedene mediale Genres unterschiedliche indexikalische Funktionen innehat, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es immer bei der Hand bleibt. Denn Orientierung kann man grundsätzlich als Phänomen der Hand - der linken und der rechten Hand - beschreiben. Dies ist nichts Neues, sondern steht in philosophischer Tradition, der dieser Beitrag folgen möchte.
Die Ausrichtung des Körpers in rechts und links macht ihn bzw. die Hand zum Pol geographischer Orientierung und konstituiert ein geographisches System. Die Begriffe "Orientieren" und "Navigieren" werden so im Zusammenhang mit einem "subjektiven Unterscheidungsgrund" (Kant) bestimmt.
Als orientierende Geste der Hand stellt sich das "Zeigen" dar: die Hand mit dem ausgestreckten Zeigefinger, der auf etwas zielt. Geschichten unterschiedlicher Wegweiser sollen in dem Vortrag Ausgangspunkt sein, die Vielfalt der bildlichen Gestaltung dieser Zeigegeste vorzustellen. Ein doppelbödiges Verhältnis tut sich mit der Repräsentation im Computer auf: hier wird die zeigende Hand - das Bild der Zeigegeste - vornehmlich durch die "Maus" oder ähnliche Geräte fortgesetzt. Inwiefern läßt sich auch hier davon sprechen, daß die Orientierung oder vielleicht besser die Navigation ein "Gefühl der Hand" sei? Inwiefern wird das "Gefühl der Hand" zum Pol der Orientierung im "Datenwust"?

So 19.11.2000 15:30



Elke Bippus
"Leere Hände". Sprachen der Hände in der Kunst.

In den ersten Szenen von Jean-Luc Godards Film "Nouvelle Vague" (1990) gibt es eine Einstellung, die wie ein Gemälde komponiert ist. Man sieht eine nach oben ausgestreckte Hand, der von der Seite eine andere Hand entgegenkommt. Die Hände sind in Großaufnahme vor einer weiten Landschaft gefilmt, sie berühren sich kurz, so als lege die eine Hand etwas in die andere. Die Sequenz wird von folgender Äußerung begleitet: "Wie wunderbar, etwas geben zu können, was man nicht hat. Wunder unserer leeren Hände."
Die Hände sind nicht allein lesbar als Metapher für die Beziehung der beiden Protagonisten des Films, Elena und Lennox, sondern auch für die Beziehung zwischen Godards Film und seinen Zuschauern.
Bereits in der Renaissance nutzten Künstler rhetorische Gesten, um das Bildgeschehen zu strukturieren, Bildinhalte zu transportieren und um die Betrachter in das Bildgeschehen einzubeziehen. Die codifizierte Bildsprache sollte bestimmte Gefühle hervorrufen. Ich werde in meinem Vortrag Darstellungsweisen der Hand, der "Handschrift" und der ästhetischen Handlung in den Bereichen des Films und der bildenen Kunst vorstellen. Dabei interessieren mich die "leeren Hände", die Kaja Silverman und Harun Farocki in ihrem Gespräch über Godards Film mit dem Akt der Gabe in Verbindung gebracht haben. Welcher Modus der Kommunikation wird durch die "leeren Hände" zwischen Zuschauer und Film denkbar?

So 19.11.2000 16:30



Ulrike Bergermann
KYBOMAT. Im Griff der Zukunft

Ein Automat ist eine selbsttätige Maschine, und Kybernetik ist die Lehre von rückgekoppelten Steuerungssystemen, und die Hand ist ein Umschlag: gerade noch ich, gehört sie jetzt schon auf den Knopf, um den Joystick, über die Maus. Gerade noch selbstvergessen und zum Arm>Rumpf>Ich so zugehörig, daß es gar kein Wort dafür gibt, wird sie jetzt schon zur Verlängerung des Stiftes, des Hammers, der Häkelnadel. Und auch das "noch" und die Reihenfolge dieser Aufzählung ist nur dem linearen Denken geschuldet. Dem wiederum die Hand in der Schrift zu folgen gelernt hat, welche eben noch eine Vorschrift bildete. Gehört die Hand zum Selbst und/oder ist sie selbst/tätig, etwa beim gedankenverlorenen Nasenbohren? Wo das lineare und das bipolare Denken an seine Grenzen kommt, bietet der Kybomat Hand ein Modell für die Verschränkung, das Greifen und Ergriffensein von Selbst und Automat, von Gegenwart und anderer Zeit, und Bilder dafür bietet einmal mehr der SF-Film.


So 19.11.2000 17:15



Birgit Kiupel
Aus der Hand

Ausstellung 13.11. - 3.12.2000 im Thealit
Eröffnung So 12.11.2000 15:00
mit Musik von Anne Wiemann


Filmprogramm

Orlacs Hände D 1924 s/w stumm
Regie: Robert Wiene
Buch: Louis Nerz, nach dem Roman 'Les Mains d'Orlac' von Maurice Renard
Darsteller: Conrad Veidt, Paul Askonas, Carmen Cartellieri, Fritz Kortner,
Alexandra Sorina, Fritz Strassny
Klavierbegleitung Marie Luise Bolte

Fr 24.11.2000 20:30 Kino 46


Mad Love US 1935 s/w 70 min
Regie: Karl Freund
Buch: Guy Endore, P.J. Wolfson, John Balderston
nach dem Roman 'Les Mains d'Orlac' von Maurice Renard
Darsteller: Peter Lorre, Colin Clive, Frances Drake, The Three Stooges, Edward Brophy, Sara Haden, Henry Kolker, May Beatty, Keye Luke, Isabel Jewell

Fr 8.12.2000 20:30 Kino 46


The Beast with Five Fingers US 1946 s/w 88 min
Regie: Robert Florey
Buch: Curt Siodmak, nach einer Erzählung von William Fryer Harvey
Darsteller: Peter Lorre, Robert Alda, Andrea King, Victor Francen, J. Carrol Naish


Fr 8.12.2000 22:30 Kino 46



Ausstellung

Andrea Klier kuratiert die Ausstellung "HAND. Medium¬Körper¬Technik"
Oktober 2001 in der Städtischen Galerie im Buntentor